Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
Marianne aber immerhin Hermas private Handynummer mit.
Die nächste Runde begann vielversprechend. Herma meldete sich schon nach dem zweiten Klingeln des Mobiltelefons.
Der Chef hatte ihr und den beiden anderen Mitarbeiterinnen überraschend den Rest des Tages freigegeben. Sie nutzte die unverhoffte Freizeit und machte einige Besorgungen. »Franz hat nämlich nächste Woche Geburtstag«, verriet sie Marianne.
Sie hatte sich auch über das ungewöhnliche Verhalten ihres Chefs gewundert, aber ›der Herr Doktor hat das hin und wieder gemacht, wenn er über irgend einem besonders kniffligen Problem gesessen ist und nicht gestört werden wollte‹. Nein, sonst war ihr nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Außer vielleicht, dass der ›Herr Doktor heute etwas ruhiger, aber auch fröhlicher war als sonst‹.
Nein, wohin er gegangen sein könnte, wusste sie nicht. Er hatte keinen Termin im Kalender vermerkt gehabt und auch nichts gesagt. »Tut mir sehr leid, Marianne«, bedauerte sie und verabschiedete sich.
Jetzt wusste Marianne wirklich nicht mehr, was sie als Nächstes tun könnte. Resigniert setzte sie sich an den Tresen und tat das Naheliegende. Sie bestellte einen Cappuccino. Das half meistens, heute aber nicht. Der Cappuccino ging und auch noch ein zweiter, die unbestimmte Angst aber blieb.
Plötzlich sah sie ihren Vater gestikulierend am Fenster seines Büros stehen. Auf der Straße parkte ein blauer Wagen, den sie als Fahrzeug ihres Mannes zu erkennen glaubte. Rasch leerte sie die Tasse, bezahlte und verließ entschlossen die Bar.
Als sie Koglers Wagen erreicht hatte und eben die rechte hintere Türe öffnen wollte, erschien auch ihr Vater. Beide blickten sich an, sie ihn vorwurfsvoll, er sie überrascht.
Das hatte ihm gerade noch gefehlt, schoss es Bittner durch den Kopf, als er Marianne sah. Wo kam seine große Kleine plötzlich her? Das war einer dieser unwägbaren Zufälle, vor denen er sich insgeheim gefürchtet hatte. Die sich nicht kontrollieren und daher auch nicht ausschließen ließen.
»Was macht du denn hier, Engelchen?«, wollte er wissen, obwohl er die Antwort instinktiv kannte.
»Dasselbe möchte ich dich fragen, Vater. Was läuft hier ab?« Marianne konnte sehr bestimmt klingen, wenn sie wollte.
»Was hast du mit diesem Menschen …«, sie deutete verächtlich in Richtung Kogler, »noch zu schaffen?«
»Ich habe mit ihm etwas Geschäftliches zu besprechen«, konterte Bittner nicht ungeschickt, »immerhin ist er ja nicht nur mein Schwiegersohn, sondern auch Vorstandsdirektor der Landesbank.«
»Das glaube ich dir nicht, Vater«, widersprach sie ungewöhnlich schroff. »Ich glaube vielmehr, dass du dich in etwas einmischen möchtest, das dich nichts angeht. Nämlich in meine Scheidung.«
»Abgesehen davon, dass mich deine Scheidung als Vater natürlich auch etwas angeht, liegst du falsch. Es geht um ein Warentermingeschäft, das möglichst diskret über die Bühne gehen muss.«
»Falls das stimmt und du tatsächlich noch Geschäfte mit diesem Schwein machst, bin ich sehr enttäuscht«, meinte sie trotzig. »Aber ich glaube dir nicht. Und du wirst mich auch nicht los.« Sie öffnete den Wagen und setzte sich auf die Rückbank. Das auf dem Sitz liegende Paket schob sie achtlos zur Seite.
»Mach kein Theater«, mischte sich jetzt Kogler ein. »Das ist eine Sache zwischen deinem Vater und mir. Also steig aus und gehe schön nach Hause. Wenn du weiter spinnst, wird es nichts mit der Scheidung.«
»Du hast mir überhaupt nichts mehr zu sagen«, begehrte sie auf. »Diese Zeiten sind endgültig vorbei. Also halt den Mund.«
»In meinem Wagen habe ich das letzte Wort und du hast mir überhaupt nichts zu verbieten«, brauste Kogler auf. »Du, du wildgewordene Emanze.«
Wider Willen musste Marianne lachen. »Besser eine wild gewordene Emanze als eine brave Frau Kogler«, ätzte sie.
Bittner war an die hintere Türe getreten. »Kinder, Kinder, beruhigt euch. Jetzt ist keine Zeit für eure infantilen Streitigkeiten. Aber in der Sache hat Erwin recht. Bitte verlasse jetzt das Auto und lass mich erledigen, was zu erledigen ist.« Der letzte Satz hatte sehr bestimmt geklungen.
»Nein, ich bleibe hier sitzen und wenn ihr euch auf den Kopf stellt«, beharrte Marianne. Woher sie wohl diese Sturheit hatte, überlegte ihr Vater. Und musste sich eingestehen, dass er diesen Zug auch an sich selbst kannte.
»Also gut«, lenkte er ein, nahm auf dem Beifahrersitz Platz und bedeutete Kogler,
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