Killervirus - Gerber, R: Killervirus - Heartstopper
begeben Sie sich so schnell wie möglich ins Freie.«
Jemand hatte den Feueralarm des Krankenhauses ausgelöst, und Angie wusste sofort, dass das nur einer gewesen sein konnte. Ihr Instinkt sagte ihr, was sie jetzt zu tun hatte.
51
10:10 UHR
ROUTE 50, IN ÖSTLICHER RICHTUNG
Als Ben erwachte, fand er sich auf der Rückbank des Saab wieder, dessen altersschwache Stoßdämpfer sämtliche Stöße einer schlecht ausgebesserten Fahrbahn fast eins zu eins an seine Wirbelsäule weitergaben.
Bilder seiner Flucht aus dem Krankenhaus blitzten in Bens Gedächtnis auf wie willkürlich getätigte Schnappschüsse, die ein Beamer in einen dunklen Raum wirft. Eine Wäschekammer voller grüner Operationskittel, wo Jack ihm aus dem Lüftungsschacht hilft. Die Fahrt in einem Lastenaufzug nach unten. Sie rennen einen langen, nicht enden wollenden Gang entlang. Dann ist da der Ärzteparkplatz vor der Notaufnahme, wo die blonde Frau in seltsam altmodischen Kleidern neben dem Saab wartet. Begleitet wurde diese abgehackte Bilderfolge vom höllischen Schrillen der Feuerglocken, in das sich immer wieder Jacks Stimme mischte. Gib nicht auf Dad. Nur ein paar Meter noch, Dad. Du schaffst es, Dad. Die letzten Bilder der Odyssee waren aus dem Wageninneren des Saab: Ein blonder Haarschopf hinter der Kopfstütze des Fahrersitzes und ein grellorange lackierter Löschzug, der mit Blaulicht und Sirene auf das Krankenhausgelände einbiegt, als der Saab es gerade verlässt. Danach war Ben in gnädiger Dunkelheit versunken,
aus der er erst vor wenigen Sekunden wieder aufgetaucht war.
»Wo sind wir?«, fragte Ben, und Jack drehte sich auf dem Beifahrersitz zu ihm um.
»Du bist ja wach, Dad. Wie geht es dir?«
»Ich lebe noch.«
»Wir sind gerade auf der Route 50«, erklärte die Frau, die neben Jack saß, ohne den Blick von der Fahrbahn zu nehmen. »Ich bin übrigens Angie Howlett.«
»Angenehm«, sagte Ben. Zum ersten Mal sprach er persönlich mit der Frau, mit deren Herzpflaster er es seit vielen Monaten zu tun gehabt hatte. »Ben Maxwell.«
»Ich weiß.« Angie lachte. »Wie fühlen Sie sich?«
»Wie zwei Mal hintereinander durch die Mangel gedreht. Alle Glieder tun mir weh, ich habe schreckliche Kopfschmerzen, und jetzt ist mir auch noch schlecht vom Autofahren.«
»Versuchen Sie zu schlafen. Ich bringe Sie an einen sicheren Ort, dort werde ich Sie dann untersuchen.«
»Und wo soll dieser sichere Ort sein?«
»In meiner Firmenzentrale am Lake Anna. Dort habe ich alles, um Sie behandeln zu können.«
»Warum tun Sie das für mich?«, fragte Ben.
»Das erzähle ich Ihnen alles später«, sagte Angie. »Aber jetzt müssen Sie sich ausruhen. Bitte, vertrauen Sie mir.«
Sie hat Recht, dachte Ben. Er war wirklich zu schwach, um viel zu reden, und bis sie am Lake Anna wären, hatte er noch viel Zeit, neue Kraft zu schöpfen.
52
11:20 UHR
CLEMENTS CREEK, MARYLAND
Als der Saab anhielt und Angie verkündete, dass sie da wären und alle aussteigen sollten, war Ben mehr als nur ein wenig verwirrt.
»Aber Sie können doch unmöglich in dieser kurzen Zeit bis zum Lake Anna gefahren sein«, sagte er und richtete sich mühsam auf, wobei ihm die Schürfwunden an beiden Ellenbogen und am Rücken höllisch wehtaten. Der Wagen stand vor einer rostigen Wellblechbaracke am Ufer eines breiten Flusses. »Soll das etwa Ihre Firma sein? Die habe ich mir aber etwas anders vorgestellt.«
»Unsinn«, antwortete Angie. »Das ist der Hangar für mein Wasserflugzeug.«
»Ihr Wasserflugzeug? «, wiederholte Ben erstaunt. »Cool«, sagte Jack.
Ben rutschte unruhig auf der Rückbank hin und her. »Sie wollen doch nicht etwa mit uns zusammen fliegen?« Er war ganz blass geworden.
»Doch, das will ich«, erwiderte Angie ungerührt. »Die Biometrix-Zentrale liegt hundertvierzig Kilometer Luftlinie südlich von hier am Lake Anna, was mit dem Auto bei diesem Wetter ein paar Stunden Fahrt bedeutet. Aber keine Sorge, ich bin eine erfahrene Pilotin und ich fliege diese
Strecke täglich hin und zurück. Mit der Otter brauche ich von der Firma bis nach Downtown Washington gerade mal eine Dreiviertelstunde.«
»Otter?«, fragte Jack aufgeregt. »Das ist eine De Havilland A DHC-3, oder?«
»Richtig. Du kennst dich aber gut aus«, sagte Angie überrascht.
»Naja, ich fliege schließlich auch schon seit meinem elften Lebensjahr.«
»Auf dem Computer«, seufzte Ben.
»Stimmt, das habe ich vergessen. Heutzutage haben viele Kinder ja schon mehr Flugstunden als wir
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