Killervirus - Gerber, R: Killervirus - Heartstopper
blendete sich innerlich aus der Unterhaltung der beiden aus und starrte hinunter auf die Nieten, die die Bodenplatten des Flugzeugs zusammenhielten. Der Motor wurde immer lauter, und Ben spürte, wie sie langsam Fahrt aufnahmen. Wellen klatschten laut wie Trommelschläge gegen die Schwimmer unter ihm, und die Maschine rumpelte eine Weile dahin wie ein Skifahrer auf einer welligen Piste, bevor sie sich vom Wasser löste und in einer sanften Kurve in den Himmel zog. Bens Magen erkannte sofort, dass sie in der Luft waren. Er machte einen Satz nach oben und drückte von unten gegen seine Speiseröhre.
Nicht gerade hilfreich gegen die aufkommende Übelkeit war die Tatsache, dass Ben ständig an den Mann denken musste, der ihn in seinem Krankenzimmer fast umgebracht hätte und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch der Mörder von Martin Larrick war. Der Mann hatte sich selbst Samariter genannt und in dem kurzen Gespräch mit Ben mehrmals einen abgrundtiefen Hass auf die Wissenschaft zum Ausdruck gebracht. Es gab genügend Wissenschaftshasser auf dieser Welt - Ben selbst hatte in den Jahren,
in denen er für eine Pharmafirma gearbeitet hatte, des Öfteren mit ihnen zu tun gehabt. Fanatische Fortschrittsgegner, die von Tierversuchen in der medizinischen Forschung bis hin zur Entschlüsselung des menschlichen Genoms gegen alles waren, was medizinische Errungenschaften erst möglich machte. Sie hatten ihm Drohbriefe geschrieben, Telefonterror gemacht und ihn mit E-Mails bombardiert, aber alles in allem waren es eher unorganisierte Spinner gewesen, die dem gefährlichen Irrglauben anhingen, das Rad des Fortschritts mit Gewalt zurückdrehen zu können.
Die Taten dieses selbst ernannten Samariters, der in der vergangenen Nacht eine Spur des Grauens hinterlassen hatte und höchstwahrscheinlich auch der Mörder von Allan Low war, hatten da schon eine ganz andere Qualität. Die Art und Weise seines Vorgehens, die ritualisierten Morde, das Vorlesen aus der Bibel - alles deutete auf einen gemeingefährlichen Soziopathen hin, dessen verquere Welt durch irgendetwas so aus den Fugen geraten war, dass er nun diese schauerlichen Morde beging. Dennoch schien hinter seinen Gräueltaten mehr zu stecken als das perverse Wüten eines völlig Durchgeknallten. Sie waren voller Rätsel und geheimnisvoller Zeichen, aus denen man möglicherweise Rückschlüsse auf die weiteren Pläne des Samariters ziehen konnte. Denn dass dieser Mann etwas plante, dass er mit seinen Morden nicht aufhören würde, war Ben vollkommen klar, seit er in der Klinik in diese harten, fanatischen Augen geblickt hatte.
Das Flugzeug erhob sich rasch in den grauen bewölkten Himmel, aus dem immer noch dicke Regentropfen fielen. Über die Kopfhörer hörte Ben, wie Jack Angie Fragen über das Flugzeug stellte und sie ihm geduldig antwortete. Also
kehrte er zurück zu seinen Gedanken über den Samariter und dessen grauenvolle Mission. Was wollte jemand damit zum Ausdruck bringen, dass er seinen Opfern eine lebende Ratte in den Mund einnähte? Die Ratte war mit mehr Symbolik aufgeladen als jedes andere Tier, den Wolf vielleicht einmal ausgenommen. Ratten galten als intelligent, unausrottbar, als Überlebenskünstler unter widrigsten Umständen. Im Mittelalter glaubte man, Zauberer und Hexen würden sich in Ratten verwandeln und in dieser Gestalt großen Schaden anrichten. In einer obskuren Geschichte von H. P. Lovecraft, die Ben als junger Mann gelesen hatte, drangen sie sogar ins Bewusstsein eines Mannes ein und brachten ihn dazu, seinen Freund aufzuessen. Vor allem aber war die Ratte ein Vorbote des Todes und der Seuchen, ein Unheilsbringer, der die Menschheit seit ihrem Bestehen wie ein dunkler Schatten begleitete.
Eine Ratte im Mund des Feindes, noch dazu eine lebendige, war eine der grausigsten Botschaften, die man schicken konnte: Der Samariter stopfte seinen Opfern mit dem Symbol der Pestilenz und hunderttausendfachen Todes quasi das Maul. Und wenn man sich ansah, wen er sich als Opfer ausgesucht hatte, ergaben sich weitere, zutiefst beunruhigende Aspekte. Das erste Opfer, Dr. Allan Low, war ein Virologe, der für die Army an einer tödlichen Biowaffe gearbeitet und nach der Einstellung des Experiments seinen Dienst quittiert und einen neuen Job bei AMT gefunden hatte. Ausgerechnet bei dem Labor, wo Ben auf Veranlassung von Martin Larrick und Senatorin Neal nach Beweisen für eine Manipulation an CardioPatch gesucht hatte. Dass Martin Larrick das zweite
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