Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Stammesgebieten größere Landstreifen, die die CIA als flight boxes bezeichnete, überfliegen durften. Die Zahl der amerikanischen Geheimagenten in Pakistan hatte Obama auf Betreiben von Vizepräsident Joe Biden schon zuvor erhöht, wobei viele von ihnen ohne Wissen des ISI im Land operierten.
Der Antrag der CIA auf Vergrößerung ihrer Drohnenflotte verursachte einiges Stirnrunzeln, und manche Regierungsbeamte stellten ganz offen die Frage, warum ein Geheimdienst so weit von seiner eigentlichen Aufgabe abwich, die in der Beschaffung und Analyse von Nachrichten bestand. General James Cartwright, der stellvertretende Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs, fragte bei mehreren Gelegenheiten: »Können Sie mir sagen, warum wir eine zweite Luftwaffe aufbauen?« Andere fanden, dass die CIA sich derart in ihre Killerdrohnen verliebt hatte, dass ihre Analysten es versäumten, eine grundlegende Frage zu stellen, nämlich: Kann es sein, dass die Drohnenschläge mehr Terroristen produzieren als töten? Am Ende der Besprechung im Situation Room jedoch wurden sämtliche Wünsche Panettas erfüllt. »Die CIA bekommt, was sie will«, erklärte der Präsident.
Aber selbst als die neuen Ressourcen bewilligt waren, nahm der Krieg der CIA in den pakistanischen Bergen immer noch den Löwenanteil der Drohnen, Spionagesatelliten und Führungsoffiziere der amerikanischen Intelligence Community in Anspruch. Deshalb war kaum noch etwas für einen anderen Krieg übrig, der fast 5000 Kilometer weiter westlich stattfand und von Obamas Beratern stillschweigend befeuert wurde. Nach dem Mordversuch an Prinz Mohammed Bin Naif im August 2009 empfand man es in Washington als dringlicher denn je, etwas gegen den Qaida-Ableger im Jemen zu tun, der angekündigt hatte, auch im Westen zuzuschlagen.
Ende 2009 war nur eine kleine Gruppe amerikanischer Soldaten und Spione in der US -Botschaft in Sanaa stationiert. Zusätzlich zu den Agenten des CIA -Postens hatte das Pentagon seit 2002 eine Gruppe Spezialeinsatzkräfte im Jemen. Doch die Kriege im Irak und in Afghanistan besaßen seit Jahren eine höhere Priorität als die dortige Mission. Nun jedoch verlor der Irakkrieg an Intensität, und das Joint Special Operations Command hatte mehr Navy SEAL s für andere Einsätze zur Verfügung.
General David Petraeus, der Kommandeur der amerikanischen Streitkräfte im Nahen Osten, war besorgt über den wachsenden Einfluss von al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel, seit er ein Jahr zuvor das U.S. Central Command übernommen hatte. Ende September 2009 gab er den geheimen Befehl, die amerikanische Militärspionage im Jemen und anderswo zu intensivieren, jenen Befehl, den Michael Furlong als Legitimation für seine Spionageaktion in Afghanistan genutzt hatte. Der Befehl autorisierte das Militär, im Jemen eine Vielzahl ungewöhnlicher Operationen durchzuführen, von der Erweiterung der Abhöraktivitäten bis zur Bezahlung Einheimischer für Informationen.
Admiral William McRaven, der Kommandeur des JSOC , wollte al-Qaida im Jemen auf dieselbe Art bekämpfen wie im Irak: häufige nächtliche Razzien, um Qaida-Kämpfer zu fangen, Verhöre dieser Gefangenen zur Nachrichtenbeschaffung und die anschließende Verwendung der von ihnen preisgegebenen Informationen, um weitere Gefangene zu machen. Dieses Modell wurde von den Kommandeuren als »Zirkel der Nachrichtenbeschaffung« bezeichnet. Es wurde auch in Afghanistan angewandt, und McRaven glaubte, die AQAP damit und mit mehr Truppen so schwächen zu können, dass sie die Vereinigten Staaten nicht mehr erfolgreich angreifen könnte.
Doch die ehrgeizigen Pläne des Admirals wurden in Washington als unrealistisch abgelehnt. Der jemenitische Präsident Saleh würde niemals erlauben, dass amerikanische Bodentruppen im Jemen ein Internierungs- und Verhörzentrum aufbauten, ganz zu schweigen von Operationen zur Gefangennahme oder Tötung von Aufständischen im ganzen Land. Das Weiße Haus war schon mit seinen Plänen, das Gefängnis in Guantánamo zu schließen, auf heftigen politischen Widerstand gestoßen, und den Beratern des Präsidenten grauste es bei dem Gedanken, eine Unmenge Gefangener aus dem Jemen managen zu müssen. McRaven wurde gesagt, er solle sich einen anderen Weg ausdenken, wie man im Jemen Krieg führen könne.
Die Folge war eine seltsam halbherzige Kampagne: ein quasi geheimer Krieg, der manchmal durch absurde Versuche, die amerikanische Beteiligung an militärischen Operationen zu verbergen,
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