Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
beeinträchtigt wurde. Ohne genaue Erkenntnisse über die Aufenthaltsorte der Rebellenführer und angesichts des Einsatzverbots für bewaffnete Drohnen, das der jemenitische Präsident 2002 verhängt hatte, mussten die amerikanischen Kriegsplaner auf die Marschflugkörper, die auf Kriegsschiffen vor der jemenitischen Küste stationiert waren, oder auf gelegentliche Bombenangriffe von Harrier-Jets der Marineinfanterie zurückgreifen. Die Ergebnisse waren ausgesprochen hässlich; in den folgenden Monaten kosteten die amerikanischen Luftschläge im Jemen mehr Zivilisten als hochrangigen Kämpfern der AQAP das Leben.
Der erste Schlag erfolgte am 17. Dezember 2009. Die Amerikaner hatten Nachrichtenverkehr aus einem Lager von Terroristen in der Provinz Abyan abgehört, einem abgelegenen Wüstenstreifen mit ein paar Dörfern, der sich Richtung Süden bis zur Hafenstadt Aden an der Küste erstreckt. Die AQAP stand offenbar kurz davor, eine Gruppe Selbstmordattentäter nach Sanaa zu schicken, wo diese die US -Botschaft angreifen sollten.
In einer Videokonferenz einen Tag vor dem Schlag informierte Admiral McRaven das Weiße Haus, das Pentagon und das Verteidigungsministerium genau über seinen Angriffsplan für das Lager. Während die CIA in Pakistan generell Drohnenschläge durchführen durfte, ohne vorher die Genehmigung des Weißen Hauses einzuholen, brauchte das Militär grünes Licht von einem kleinen Team in Washington – einer Gruppe mit dem Spitznamen »Counterterrorism Board of Directors«, in der John Brennan den Vorsitz führte. Die Gruppe entschied über einen Angriffsplan und gab dann ihre Empfehlung an Präsident Obama weiter, der jeden Schlag persönlich genehmigte.
Er gab auch seine Einwilligung zu der Operation in Abyan. Am folgenden Tag ging eine verschlüsselte Nachricht an eine kleine Flotte amerikanischer Schiffe, die im Arabischen Meer patrouillierte. Stunden später schlugen mehrere Marschflugkörper in dem Wüstenlager ein. Noch am selben Tag brachte die Regierung des Jemen eine Presseerklärung über einen erfolgreichen Angriff der jemenitischen Luftwaffe heraus. »Etwa vierunddreißig« al-Qaida-Kämpfer hätten dabei den Tod gefunden.
Am folgenden Tag telefonierte Obama mit Ali Abdullah Saleh und dankte ihm für seine Kooperation, obwohl das jemenitische Militär lediglich als Feigenblatt für die amerikanische Operation gedient hatte. Videos, die Einheimische in dem Lager aufnahmen, zeigten Reste der explodierten Marschflugkörper, die mit amerikanischen Markierungen versehen waren, und bewiesen außerdem, dass die Tomahawks mit Streubomben bestückt gewesen waren, die eine verheerende Wirkung entfalten, indem sie auf einer großen Fläche kleinere Sprengkörper verteilen. Die meisten Toten waren Zivilisten. Bilder von toten Frauen und Kindern fanden durch YouTube Verbreitung. Bei einer Protestdemonstration nach dem Angriff, die von al-Dschasira, übertragen wurde, appellierte ein al-Qaida Kämpfer mit geschulterter Kalaschnikow direkt an die jemenitischen Truppen: »Soldaten, ihr sollt wissen, dass wir nicht gegen euch kämpfen wollen«, sagte er. »Wir haben kein Problem mit euch. Wir haben ein Problem mit Amerika und seinen Helfern. Hütet euch davor, für Amerika Partei zu ergreifen!«
Drei Wochen nach dem amerikanischen Angriff kam General Petraeus nach Sanaa und verhandelte mit Präsident Saleh und seinen Beratern über die nächste Phase des Kriegs. Es gab einen aktuellen Anlass: Am ersten Weihnachtsfeiertag hatte ein junger Nigerianer in Amsterdam ein Flugzeug nach Detroit bestiegen. In seine Unterwäsche eingenäht war die neueste diabolische Schöpfung von Ibrahim al-Asiri, dem Meisterbombenbauer aus dem Jemen. Als das Flugzeug im Landeanflug war, versuchte Umar Farouk Abdulmutallab, die aus 80 Gramm Plastiksprengstoff bestehende Bombe mit einer säuregefüllten Spritze zu zünden. Wieder einmal wurde Asiris Arbeit durch die Inkompetenz seines Attentäters zunichte gemacht. Abdulmutallab setzte lediglich sein Bein in Brand; andere Passagiere rangen ihn schnell nieder. Der glücklose Attentäter wurde in Detroit inhaftiert, und die USA waren knapp dem ersten großen Terroranschlag unter der Regierung Obama entgangen.
War der Attentatsversuch auf Prinz Mohammed Bin Naif das erste Anzeichen gewesen, dass AQAP außerhalb des Jemen aktiv werden wollte, so bewies der vereitelte Anschlag am ersten Weihnachtsfeiertag, dass die Gruppe wirklich danach trachtete, das Werk Osama Bin Ladens
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