Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Recht ein, in allen überseeischen Ländern jeweils den ranghöchsten amerikanischen Spion zu ernennen, eine Position, die traditionell der Stationschef der CIA innehatte. Das Ganze war ein relativ unwichtiges Problem, doch Panetta und sein Stellvertreter Stephen Kappes sahen in Blairs Wunsch eine Bedrohung für die Autorität der CIA und betrieben im Weißen Haus Lobbyarbeit, damit sein Plan abgelehnt werde. Als der Vorschlag im Sommer 2009 in Washington hängen blieb, kam Blair zu dem Schluss, dass er nicht auf die Entscheidung des Weißen Hauses zu warten brauche. Er gab den Befehl einfach selbst und informierte Panetta in einem kurzen spannungsgeladenen Telefongespräch über seine Entscheidung. Panetta legte wütend auf.
»Der Typ ist ein verdammtes Arschloch«, sagte er zu einer Gruppe von Beratern, die in seinem Büro versammelt waren. Gleich am nächsten Tag ging ein Telegramm von Panetta an alle CIA -Stationen. Es enthielt eine einfache Botschaft: Ignorieren Sie Blairs Befehl.
Blair war nicht gewohnt, dass man seine Befehle missachtete. Er beschwerte sich bei James Jones, Obamas Nationalem Sicherheitsberater, dass Panetta Befehle verweigere, und forderte seine Entlassung. Doch das Weiße Haus ergriff für Panetta Partei.
Blair hatte die historische Bilanz der verdeckten Operationen der CIA schon lange sehr kritisch gesehen. Er war der Ansicht, dass zu viele Präsidenten zu oft in der amerikanischen Geschichte die CIA als Krücke benutzt hatten, wenn sich ihre Berater nicht darauf einigen konnten, wie man mit einem besonders schwierigen außenpolitischen Problem umgehen sollte. Außerdem fand er, dass die Geheimprogramme meistens noch Jahre weiterliefen, wenn sie dem Land schon längst nichts mehr nutzten.
Als Obama in seinem ersten Amtsjahr eine Überprüfung des runden Dutzends damals laufender Geheimprogramme der CIA anordnete (von den Drohnenschlägen in Pakistan bis zu einer Kampagne zur Sabotage des iranischen Atomprogramms), hoffte Blair deshalb, dass man sie nun in ihrer politischen und militärischen Gesamtwirkung untersuchte und auf dieser Grundlage über ihre Fortsetzung oder Einstellung entschieden würde. Stattdessen wurden die Programme auf den Sitzungen im Sommer 2009 so gut wie unbesehen abgenickt. Bei den Besprechungen erklärte Stephen Kappes jeweils energisch, warum das gerade behandelte Programm erfolgreich sei und fortgesetzt werden müsse. Als im Herbst eine Sitzung des »Principals Committee« angesetzt war, in der die Vollmitglieder von Obamas Nationalem Sicherheitsrat endgültig über die Weiterführung der verdeckten Programme entscheiden sollten, stand bei keinem mehr die Einstellung zur Debatte.
Blair sah frustriert zu, wie sich die Sache entwickelte, und wandte sich schließlich an Robert Gates, den Verteidigungsminister. Dieser hatte einen Großteil seiner Washingtoner Karriere bei der CIA gemacht und schon mehrfach erlebt, wie verdeckte Operationen scheiterten. Außerdem wusste Blair, dass er im Weißen Haus Einfluss hatte. Blair und Gates einigten sich darauf, als Richtschnur für die Entscheidung über die Geheimprogramme eine Liste mit Grundprinzipen zu verfassen. Die sechs Prinzipien, die dabei herauskamen, waren recht harmlos. Eines lautete, dass bei einer verdeckte Operation ständig reflektiert werden solle, ob sie nicht durch offene Aktivitäten ersetzbar sei, und ein anderes, dass die Geheimprogramme »die Entwicklung stabiler, korruptionsfreier und repräsentativer Regierungen, […] die die Menschenrechte ihrer Bürger respektieren«, nicht behindern sollten.
Als sich Obamas wichtigste Berater im Weißen Haus versammelten und über die verdeckten Aktionsprogramme debattierten, ließ Blair die Liste herumgehen. Er und Gates hatten gehofft, das Treffen zu einem Forum machen zu können, in dem allgemein über Sinn und Unsinn dieser Operationen diskutiert würde, und die Sitzung zog sich viele Stunden hin, als Blair versuchte, über jedes einzelne Geheimprogramm eine Debatte zu erzwingen. Wie er sich erinnerte, habe »die CIA die [verdeckten Aktions-]Programme einfach durchboxen« wollen, und Leon Panetta und der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater Tom Donilon seien mit jeder pointierten Frage, die er stellte, wütender geworden.
Panetta war nicht nur deshalb sauer, weil er fand, dass Blair sich aufspiele, sondern auch, weil er glaubte, dass er der CIA ein Privileg zu rauben versuchte, das sie seit ihrer Gründung im Jahr 1947 eifersüchtig hütete: den
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