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Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)

Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)

Titel: Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Mazzetti
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– durch das Küchenfenster des Hauses der Familie in Sanaa davongestohlen. Abdulrahman lebte in diesem Haus, seit seine Familie in den Jemen umgezogen war – nachdem sich sein Vater zuerst in den Vereinigten Staaten und dann in Großbritannien einen Namen als radikaler Prediger gemacht hatte. Auch wenn Anwar al-Awlaki, der inzwischen zu den meistgesuchten Männern der Vereinigten Staaten zählte, Sanaa schon längst verlassen und sich in die relative Sicherheit der entlegenen Gouvernements des Landes abgesetzt hatte, führte Abdulrahman in der jemenitischen Hauptstadt ein weitgehend normales Leben als Heranwachsender. Er ging zur Schule, interessierte sich für Sport und Musik und hielt seine Facebook-Seite stets up to date.
    Doch dann, Mitte September 2011 , beschloss er, dass er seinen Vater finden musste, wo auch immer der sich verborgen hielt. Als er aus dem Haus schlich, hinterließ er seiner Familie eine kurze Nachricht:
    »Tut mir leid, dass ich einfach abhaue«, schrieb er. »Aber ich muss meinen Vater finden.«
    Abdulrahman machte sich auf den Weg in das Gouvernement Schabwa, wo sich, wie man annahm, Anwar al-Awlaki versteckt hielt und wo er im Mai desselben Jahres nur knapp einem Angriff amerikanischer Kampfflugzeuge und Drohnen entkommen war. Was er nicht wusste: Sein Vater hatte sich inzwischen bereits ins Gouvernement al-Dschauf abgesetzt. Ziellos zog Abdulrahman eine Weile durch die Gegend. Als er von den Drohnenanschlägen erfuhr, bei denen sein Vater ums Leben gekommen war, meldete er sich bei seiner Familie in Sanaa. Er werde, erklärte er am Telefon, wieder nach Hause kommen.
    Doch Abdulrahman kehrte nicht sofort nach Sanaa zurück. Am 14. Oktober, nur zwei Wochen nachdem CIA -Drohnen seinen Vater getötet hatten, saß Abdulrahman al-Awlaki mit Freunden auf der Terrasse eines Restaurants in Azzan, einer Kleinstadt im Gouvernement Schabwa, als zunächst aus einiger Entfernung, dann immer lauter werdend, vom Himmel her das typische Surrgeräusch zu vernehmen war. Sekunden später zischten Raketen durch die Luft und schlugen in dem Restaurant ein. Als sich der Rauch der Explosionen verzogen hatte, lag fast ein Dutzend Menschen tot im Staub, darunter auch Abdulrahman al-Awlaki. Nur Stunden nachdem die Meldung vom Tod des Teenagers durch die Nachrichten ging, hatte sich Abdulrahmans Facebook-Seite in eine Gedenkstätte verwandelt.
    Offiziell haben sich amerikanische Regierungsvertreter bis heute zwar nicht zu der Operation geäußert, unter vier Augen aber geben sie zu, dass Abdulrahman al-Awlakis Tod ein Versehen war. Der Teenager hatte zu keinem Zeitpunkt auf irgendeiner Zielliste gestanden. Eigentlich hatte der Drohnenangriff Ibrahim al-Banna gegolten, einem ägyptischen AQAP -Führungsmitglied. Nach Angaben einer Geheimdienstquelle sollte sich al-Banna zum Zeitpunkt des Angriffs in dem Restaurant aufhalten, eine Information, die sich jedoch als falsch erwies. Von al-Banna war weit und breit keine Spur zu finden. Und Abdulrahman al-Awlaki war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
    Obwohl die näheren Umstände des Angriffs nach wie vor der Geheimhaltung unterliegen, haben mehrere amerikanische Beamte bestätigt, dass der Drohnenangriff, bei dem der Junge ums Leben kam, im Gegensatz zu dem, der seinen Vater tötete, nicht auf das Konto der CIA ging. Vielmehr war Abdulrahman al-Awlaki einem Drohnenprogramm zum Opfer gefallen, das das Joint Special Operations Command des Pentagons fortgesetzt hatte, gegen die Entscheidung der US -Regierung, die Menschenjagd im Jemen allein der CIA zu unterstellen. Offenbar kamen sich die CIA und das Pentagon in einem der ärmsten und unfruchtbarsten Länder der Welt mit separaten Drohnenkriegen ins Gehege. Die CIA führte ihre eigene Zielliste, das JSOC eine andere. Beide waren mit praktisch dem gleichen Auftrag im Jemen unterwegs. Zehn Jahre nachdem Donald Rumsfeld erstmals versucht hatte, den Spionen die Kontrolle über den neuen Krieg zu entreißen, führten das Pentagon und die CIA parallele Geheimkriege am Ende der Welt.
    Zwei Monate nach der Ermordung seines Sohns und seines Enkels stellte Dr. Nasser al-Awlaki auf YouTube ein Video ein, in dem er ihren Tod beklagte. Fast siebzig Minuten lang spricht al-Awlaki darin auf Englisch in deutlichen, überlegten Worten von seiner Trauer und seinem Zorn – und davon, dass jeder wahre Muslim die Botschaft seines Sohns am Leben erhalten und an alle weitergeben solle, die sie noch nicht vernommen hätten.

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