Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Das Blut seines Sohnes Anwar, verkündete er unheilvoll und ohne näher darauf einzugehen, »ist und wird nicht vergebens vergossen sein«.
Nasser al-Awlaki bezeichnete Amerika als einen »dem Wahnsinn anheim gefallenen Staat«, der in den dunkelsten Ecken der Welt einer Anschlagsstrategie betreibe. Die Drohnenangriffe seien, erklärte er, für die US -Bürger inzwischen so alltäglich geworden, dass die Anschläge, die seinem Sohn und seinem Enkel das Leben nahmen, in den USA kaum für Aufsehen gesorgt hätten. Damit hatte er gar nicht so unrecht. An ganzem Tag, als Anwar al-Awlaki starb, erwähnte Präsident Obama in einer Rede zwar dessen Tod und nannte ihn einen »weiteren bedeutenden Meilenstein in dem Bemühen, al-Qaida und ihre Partner zu besiegen«. Aber schon am nächsten Tag war der Tod des Hetzpredigers – eines amerikanischen Staatsbürgers, dessen Ermordung das Justizministerium in einem geheimen Memorandum autorisiert hatte – den großen Sendern in ihren Abendnachrichten keine Erwähnung mehr wert. Und als zwei Wochen später Abdulrahman al-Awlaki, der in Denver, Colorado, geborene Sohn des Predigers, im Jemen von einer Hellfire-Rakete zerfetzt wurde, fand auch das in den Medien kaum ein Echo.
Die Drohnenangriffe sind nach wie vor ein Staatsgeheimnis, zumindest offiziell, und die Regierung Obama ist schon mehrfach vor Gericht gezogen, um Forderungen auf Herausgabe von Dokumenten im Zusammenhang mit den CIA - und JSOC -Drohnen sowie der ihren Einsatz legitimierenden geheimen Rechtsgutachten abzuweisen. So saß Ende September 2012 ein dreiköpfiger Richterausschuss vor einer Wand aus grünem Marmor in einem Washingtoner Bundesgerichtssaal und hörte sich die mündlichen Argumente in einem von der American Civil Liberties Union angestrengten Verfahren an, mit dem die Bürgerrechtsunion die Herausgabe von Dokumenten zu dem gezielten Tötungsprogramm der CIA erzwingen wollte. Einer der CIA- Anwälte stritt beharrlich ab, dass die Agency irgendetwas mit Drohnen zu tun habe, und zwar selbst dann noch, als die skeptischen Richter ihn ins Kreuzverhör nahmen und mit diversen öffentlichen Aussagen des ehemaligen CIA -Direktors Leon Panetta konfrontierten. Bei einem Besuch auf einem US -Stützpunkt im italienischen Neapel beispielsweise hatte Panetta vor einer Gruppe Soldaten erklärt, dass er jetzt, als Verteidigungsminister, zwar »über tonnenweise mehr Waffen … als damals bei der CIA « verfügte, »die Predator-Drohnen aber auch nicht gerade schlecht« gewesen seien.
Irgendwann während der Anhörung verwies ein fassungsloser Richter Merrick Garland auf die Absurdität der von der CIA vertretenen Position, nachdem doch sowohl Präsident Obama wie auch der Antiterrorberater des Weißen Hauses, John Brennan, schon öffentlich über die Drohnen gesprochen hatten. »Wenn wir jetzt mal annehmen, die CIA wäre der nackte Kaiser aus dem Märchen«, sagte Garland an die CIA -Anwälte gewandt, »dann sollen wir Ihrer Meinung nach jetzt also so tun, als würde der Kaiser Kleider tragen, obwohl der Chef des Kaisers sagt, dass er nackt ist.«
Doch bei aller Geheimniskrämerei: Die Kriegführung per Drohne ist zur Normalität geworden, und in dem Maße, wie die CIA und das Pentagon um mehr Ressourcen und Kompetenzen zur Führung von Geheimkriegen kämpfen, werden sich ihre Missionen noch stärker einander angleichen. Manchmal, wie im Jemen, betreiben die beiden Behörden parallele und konkurrierende Drohnenoperationen. Dann wieder teilen sie die Welt unter sich auf und übernehmen die Verantwortung für verschiedene Einsatzgebiete des per Joystick ferngesteuerten Kriegs – die CIA etwa für Pakistan, während das Pentagon die über Libyen fliegenden Drohnen kontrolliert.
Im Juli 2004 kam die 9/11-Kommission zu dem Ergebnis, dass die CIA ihre paramilitärischen Funktionen aufgeben sollte. Es sei, so die Kommission, wenig sinnvoll, wenn die CIA und das Pentagon parallel Geheimkriege führten. »Ob man die Kosten nun in Dollars oder in Humanressourcen misst«, hieß es im Abschlussbericht der Kommission, »die Vereinigten Staaten können es sich nicht leisten, eine doppelte Infrastruktur zur Durchführung geheimer Militäroperationen, zum geheimen Einsatz von Raketen mit großer Reichweite und zur verdeckten Ausbildung militärischer oder paramilitärischer Einheiten im Ausland aufzubauen oder zu unterhalten.«
Die Regierung Bush wies diese Empfehlung zurück, und in den Jahren seit Vorlage des Abschlussberichts
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