Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
al-Awlaki war, der die Gruppe in diese Richtung drängte.
Das mag so gewesen sein oder auch nicht, auf jeden Fall begann man im Nationalen Sicherheitsrat nun über die bislang unerhörte Frage zu debattieren, ob man die geheime Tötung des amerikanischen Staatsbürgers al-Awlaki autorisieren sollte – und nicht etwa versuchen, ihn gefangen zu nehmen und vor ein Gericht zu stellen. Harald Koh und andere Regierungsanwälte recherchierten die Geheimdiensterkenntnisse über al-Awlakis Rolle innerhalb der jemenitischen Terrororganisation, und nur wenige Monate nach Abdulmutallabs fehlgeschlagenem Bombenattentat im Landeanflug auf Detroit, legte das Rechtsbüro des amerikanischen Justizministeriums, das Office of Legal Counsel, ein Geheimmemorandum vor, in dem es die Absicht der Regierung Obama für rechtens erklärte, den abtrünnigen amerikanischen Prediger töten zu lassen. Da al-Awlaki eine führende Rolle in der Terrororganisation al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel spiele und da die Gruppierung den Vereinigten Staaten den Krieg erklärt habe, habe er, schrieben die Rechtsexperten des Justizministeriums, seine verfassungsmäßig garantierten Rechte auf einen ordentlichen rechtsstaatlichen Prozess verwirkt.
Allerdings hatte man in Washington zu diesem Zeitpunkt nicht die geringste Ahnung, wo sich al-Awlaki oder andere führende AQAP -Mitglieder verborgen hielten. Das Joint Special Operations Command war gerade erst dabei, eigene Kapazitäten zur nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung im Jemen aufzubauen, und vorerst war die Regierung in Washington fast ausschließlich auf die Spione und Informanten angewiesen, die der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh und der saudi-arabische Geheimdienst auf die AQAP angesetzt hatten. Und nachdem Ende Mai 2010 der Vize-Gouverneur des Gouvernements Ma’rib, Jaber al-Schabwani, von einer offenbar fehlgeleiteten amerikanischen Rakete getötet worden war, hatte Saleh die amerikanischen Aktivitäten in seinem Land noch schärferen Restriktionen unterworfen und damit den Geheimkrieg der USA im Jemen praktisch zum Erliegen gebracht.
Doch so langsam entglitten Saleh, dem starken Mann in Sanaa, die Zügel der Macht. Über Jahrzehnte hinweg hatte er sich seine Führungsposition bewahrt, indem er die diversen Stämme und Fraktionen innerhalb des Landes geschickt manipuliert und sie dabei häufig mit Methoden gegeneinander aufgestachelt hatte, die ein Mitarbeiter der Regierung Bush mit einem »Tanz in der Schlangengrube« verglichen hatte. Angefeuert durch die Massenaufstände, die sich in der gesamten arabischen Welt ausbreiteten, kam es Anfang 2011 auch im Jemen zu schweren Unruhen, und Salehs Regierung, deren Macht früher kaum über die Hauptstadt hinausgereicht hatte, konnte nun nicht einmal mehr in Sanaa die Ordnung aufrechterhalten. Dann, im Juni 2011 , wurde Saleh bei einem schweren Raketenangriff auf den Präsidentenpalast schwer verletzt. Mit inneren Blutungen im Kopf und schweren Brandwunden – nach dem Einschlag der Raketen war in dem Palast Feuer ausgebrochenen – wurde Saleh von seinen Leibwächtern eilends in ein Flugzeug verladen und nach Saudi-Arabien ausgeflogen, wo ihn die Ärzte einer mehrstündigen Notoperation unterzogen. Saleh überlebte, aber seine Zeit als jemenitischer Präsident war vorbei. Und damit konnte er den Vereinigten Staaten auch nicht mehr vorschreiben, was sie in seinem Land tun durften und was nicht.
Die CIA und das JSOC hatten die einjährige Zwangspause, die dem amerikanischen Luftkrieg im Jemen nach dem Tod von Vize-Gouverneur Jaber al-Schabwani auferlegt worden war, dazu genutzt, im Land Informanten zu rekrutieren und rund um den Jemen ein elektronisches Überwachungsnetz aufzubauen. Die National Security Agency in Fort Meade, Maryland, stellte für den Jemen zusätzliche Analysten zur Überwachung von Mobiltelefonen und zum Ausspionieren von Computernetzwerken ab. Die CIA errichtete derweil unter strengster Geheimhaltung im Süden von Saudi-Arabien einen Drohnenstützpunkt, der ihr als Basis für die Jagd auf Qaida-Mitglieder im Jemen dienen sollte. Die saudische Regierung hatte der CIA grünes Licht für den Bau der Basis unter der Bedingung erteilt, dass sie die Rolle des Königreichs strikt geheim hielt. »Die Saudis legten«, wie ein an der Entscheidung zum Bau der Basis beteiligter US -Beamter sagte, »größten Wert darauf, auf keinen Fall mit der Sache in Verbindung gebracht zu werden.«
Bis zur Fertigstellung der
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