Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind 44

Kind 44

Titel: Kind 44 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
Vom Netzwerk:
Haustür.
    Schwere Schritte, zu schwer für ihre Mutter. Ihr Vater musste früher als geplant zurückgekehrt sein. Ein Lichtstrahl fiel herein, als oben die Tür zum Keller geöffnet wurde. Warum war er denn jetzt schon zurück? In Panik senkte Nadja den Deckel möglichst geräuschlos, während sie schon hörte, wie ihr Vater die Treppe herunterkam. Als der Deckel zu war, kniete sie sich hin und krabbelte unter das Bett. Nicht viel Platz, sie machte sich ganz klein und behielt die unterste Treppenstufe im Auge. Da waren sie. Die schweren, schwarzen Stiefel kamen direkt auf sie zu.
    Nadja kniff die Augen zusammen und rechnete damit, sein wütendes Gesicht direkt vor sich zu sehen, wenn sie sie wieder aufmachte. Stattdessen quietschte das ganze Bett und gab nach. Er hatte sich daraufgesetzt.
    Sie machte die Augen auf und musste beiseite kriechen, denn die Lücke zwischen dem Bett und dem Boden war jetzt noch schmaler. Nadja sah, wie er anfing, sich die Stiefel aufzuschnüren. Er hatte nicht gemerkt, dass sie hier unten war. Das Schloss war wohl wieder zugefallen, als sie die Tür geschlossen hatte. Er hatte sie nicht erwischt, jedenfalls noch nicht. Und was sollte sie jetzt machen? Vielleicht blieb ihr Vater stundenlang hier unten. Ihre Mutter würde heimkehren und erschreckt feststellen, dass sie nicht zu Hause war. Vielleicht würden sie denken, dass sie verschwunden war, und sie suchen gehen. Dann könnte sie sich hinaufschleichen und sich eine Lüge ausdenken, wo sie gewesen war. Wenn alles glattlief. Bis dahin musste sie bleiben, wo sie war, und durfte keinen Mucks von sich geben.
    Ihr Vater hatte sich die Socken ausgezogen und streckte seine Zehen. Er stand auf, wobei sich das Bett mit ihm hob, und entzündete die Lampe, die ein schwaches Licht warf. Dann ging er zur Truhe. Nadja konnte hören, wie er den Deckel aufmachte, aber sie sah nicht, was er herausnahm. Offenbar hatte er den Deckel aufgelassen, denn sie hörte nicht, dass er wieder zuging. Was machte ihr Vater bloß? Jetzt saß er auf einem der Stühle und band sich etwas um den Fuß. Ein Stück Gummi.
    Dazu noch eine Schnur und ein paar Lumpen, er schien sich eine Art Schuh zu basteln.
    Nadja spürte etwas hinter sich und wandte den Kopf.
    Es war die Katze. Die hatte sie ihrerseits bemerkt, sie machte einen Buckel und sträubte das Fell. Sie schien zu wissen, dass Nadja hier unten nichts zu suchen hatte. Ängstlich wandte Nadja sich um und schaute, ob ihr Vater sie bemerkt hatte. Er ließ sich auf die Knie fallen, und sein Gesicht tauchte zwischen Bettkante und Boden auf. Nadja wusste nicht, was sie sagen sollte, und wagte nicht, sich zu rühren. Ohne ein Wort stand ihr Vater auf und klappte das ganze Bett nach oben, sodass sie offen dalag, zusammengerollt wie eine Kugel.
    »Steh auf!«
    Sie konnte weder Arme noch Beine bewegen, ihr ganzer Körper verweigerte den Dienst. »Nadja!«
    Sie hörte ihren Namen und stand auf.
    »Komm von der Wand da weg!«
    Sie gehorchte. Mit gesenktem Kopf ging sie auf ihren Vater zu und starrte dabei seine Füße an, der eine nackt und der andere in Lumpen gehüllt. Er klappte das Bett wieder herunter und rückte es zurecht.
    »Warum bist du hier unten?«
    »Ich wollte wissen, was du hier machst.«
    »Warum?«
    »Weil ich öfter mit dir zusammen sein will.«
    Andrej verspürte wieder diesen Drang. Sie waren allein zu Hause. Sie hätte nicht herunterkommen sollen. Er hatte es ihr extra gesagt, zu ihrem eigenen Schutz. Hier war er ein anderer Mensch, nicht mehr ihr Vater. Er drückte sich rückwärts von seiner Tochter weg, bis er an der Wand stand, so weit, wie der Raum es nur zuließ.
    »Vater?«
    Andrej hob einen Finger an die Lippen und bedeutete ihr zu schweigen. Reiß dich zusammen!
    Aber er schaffte es nicht. Er nahm die Brille ab, klappte sie zusammen und steckte sie sich in die Tasche. Als er jetzt wieder seine Tochter anschaute, war sie nur noch ein verschwommener Schemen, gar nicht mehr sein Mädchen. Eine vage, unbestimmte Gestalt, irgendein xbeliebiges Kind.
    »Vater?« Nadja stand auf, ging zu ihrem Vater und nahm seine Hand. »Hast du denn gar keine Lust, mit mir zusammen zu sein?«
    Jetzt war sie zu nah, selbst ohne Brille. Er konnte ihr Haar sehen, ihr Gesicht. Er wischte sich über die Augenbrauen und setzte seine Brille wieder auf.
    »Nadja, du hast doch eine kleine Schwester. Warum spielst du denn nicht mit der? Als ich so alt war wie du, war ich immer mit meinem Bruder zusammen.«
    »Du hast einen

Weitere Kostenlose Bücher