Kind der Hölle
hierherkamen, hattest du nie Ärger in der Schule!«
»Darauf solltest du stolz sein, anstatt auf mir herumzuhacken!« Jared kehrte ihr den Rücken zu. »Ich gehe jetzt in mein Zimmer runter.«
»Jared! Wenn ich mit dir rede, erwarte ich …« Sie sah, daß Molly, verstört über die zornigen Stimmen, den Mund zum Weinen verzog, und so nahm sie ihre Jüngste rasch auf den Arm. »Alles in Ordnung, Liebling«, murmelte sie sanft.
»Mommy ist nicht böse auf dich, und Jared auch nicht. Niemand ist böse auf dich.«
Sie brachte das kleine Mädchen in die Bibliothek, die Ted vorübergehend als Büro diente. »Kannst du ein paar Minuten auf Molly aufpassen? Ich habe mit Jared ein Hühnchen zu rupfen.«
Ted stand vom Schreibtisch auf. »Vielleicht sollte ich das lieber …«
Janet schüttelte den Kopf. »Das ist eine Sache zwischen ihm und mir. Und bei dieser Gelegenheit werde ich auch endlich sein Zimmer zu sehen bekommen.«
»Okay.« Seufzend nahm Ted seine Tochter auf den Schoß. »Aber ich warne dich, Zimmer von halbwüchsigen Jungen können ganz schön verrückt aussehen.«
»Ich werd’s überleben!« Um die langsam heilenden Wunden ihrer Ehe nicht unnötig aufzureißen, verzichtete Janet auf den Hinweis, daß sie sich bis vor wenigen Wochen allein um die Kinder gekümmert hatte und ganz gut zurechtgekommen war.
Sie öffnete die Kellertür und knipste den Lichtschalter an. Die nackte Glühbirne, die auf halber Höhe der Treppe als Wandlampe diente, kämpfte vergeblich gegen die dunklen Schatten in der Tiefe an. Warum sollte jemand da unten wohnen wollen? überlegte Janet, während sie die knarrenden Stufen hinabging. Sie versuchte sich vorzustellen, wie man sich hier mitten in der Nacht fühlen mochte, und erschauerte beim Gedanken an die Spinnen, die bestimmt überall herumkrochen. Vor Jareds Tür blieb sie stehen und starrte das glänzende Messingschloß an, das ihr vor einigen Tagen zum erstenmal aufgefallen war. Aber wenigstens hing kein Schild mit der Aufschrift ›EINTRITT VERBOTEN‹ an der Tür – mit sechs Jahren hatte er einmal ein solches Schild an seiner Zimmertür angebracht!
Janet klopfte leise an und hörte gedämpft Jareds Stimme: »Ja, was gibt’s?«
»Darf ich hereinkommen?« rief sie.
Kurzes Schweigen. Dann: »Die Tür ist nicht abgeschlossen.«
Sie stieß die Tür auf und blieb auf der Schwelle wie angewurzelt stehen. Was auch immer sie sich vorgestellt haben mochte – das nicht!
Einen schrecklichen Moment lang hatte Janet das Gefühl, eine Leere betreten zu haben. Ihr wurde schwindelig, und sie hielt sich instinktiv am Türrahmen fest. Gleich darauf waren ihre Augen jedoch wieder imstande, eindeutige Informationen ans Gehirn weiterzugeben, und der Schwindel verging.
Der Raum war schwarz gestrichen.
Nicht mit glänzender Ölfarbe, die vielleicht noch interessante Lichtreflexe erzeugt hätte, sondern matt und stumpf, ein Schwarz, das fast jeden Lichtstrahl völlig absorbierte. Die Deckenbalken waren nicht mehr zu sehen: Jared – oder eher Ted – hatte die Zwischenräume mit schalldämpfendem Isoliermaterial gefüllt und mit Sperrholzplatten verhüllt, die genauso schwarz gestrichen waren wie die Wände. Die bisher an einem Kabel hängende Glühbirne war jetzt korrekt an der Decke befestigt und mit einem Lampenschirm verhüllt, besser gesagt, mit einer roten Papierlaterne. »Ist dieses Ding nicht gefährlich?« fragte Janet und hätte sich im nächsten Moment auf die Zunge beißen mögen.
Zu spät.
»Das Haus brennt davon bestimmt nicht ab«, erwiderte Jared trotzig. »Ich hab’ alles mit Dad überprüft.«
Als ob der etwas davon verstünde, dachte Janet, gestand sich aber im nächsten Moment schuldbewußt ein, daß sie Ted unrecht tat. Seit dem Umzug nach St. Albans hatte er mehr über Renovierungsarbeiten gelernt, als sie für möglich gehalten hätte. Ob es sich um elektrische Leitungen, Rohre oder Heizungsanlagen handelte, er schien über alles Bescheid zu wissen, und bisher hatte er wirklich gute Arbeit geleistet.
Janet nahm die Einrichtung in Augenschein. In einer Ecke stand Jareds Bett – allerdings ohne das Bettgestell, denn er hatte mit Lukes Hilfe nur den Sprungrahmen und die Matratze vom ersten Stock in den Keller geschleppt. Zwei weitere Matratzen, die er wohl auf dem Dachboden oder sonstwo in dem riesigen Haus gefunden hatte, dienten als provisorisches Sofa. Es gab einen Tisch und eine lange Werkbank, die Jared an die Wand gegenüber den Fenstern geschraubt
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