Kind der Hölle
über ihn verlor, schwoll das Geheul in der Kathedrale erneut an. Doch jetzt waren es nicht mehr die verdammten Seelen, die schrien, sondern Satan selbst, der vor Wut tobte, weil ihm ein Opfer entkommen war.
Jared schaute seinen Vater an. »Du hast mich ihm gegeben«, sagte er leise. »Du hast deinen eigenen Sohn dem Teufel geschenkt!« Er ging an Ted vorbei, der wieder in die Knie gebrochen war, und fegte die Kerzen vom Altar.
Die Flammen breiteten sich blitzschnell in der Kathedrale aus, und Satan stieß erneut ein gräßliches Wutgeheul aus. Jared ignorierte es und eilte auf die Tür zu.
»Nein!« schrie sein Vater. »NEEEEEIN!«
Jared drehte sich ein letztes Mal nach ihm um. Die Flammen waren jetzt überall, und Ted, dessen Wunden jetzt wieder bluteten, taumelte hilflos umher und suchte nach einem Fluchtweg.
Aber es gab keinen.
Für ihn gab es kein Entrinnen mehr.
Und es würde bis in alle Ewigkeit kein Entrinnen geben.
Jared wandte sich ab und verließ den Raum. Zum erstenmal, seit er dieses Haus betreten hatte, flüsterte er ein Gebet.
»Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes …«
»Was meinst du, was sie mit ihr machen werden?« fragte Luke Roberts.
Sandy Engstrom zuckte gleichgültig die Achseln. »Von mir aus kann man sie einsperren und den Schlüssel wegwerfen!«
Obwohl es noch nicht Mittag war, saßen sie bereits in der Pizzeria. Sie hatten sie aufgesucht, gleich nachdem die beiden Priester Kim Conway aus dem Biologiesaal geholt hatten. Sollten die Nonnen morgen Ärger machen, würden sie einfach behaupten, der Vorfall mit Kim hätte es ihnen unmöglich gemacht, in der Schule zu bleiben.
Luke grinste. »Ich dachte, Kim wäre deine beste Freundin.«
»Meine beste Freundin war Melissa Parker«, erwiderte Sandy. »Kim ist mir auf Dauer zu tugendhaft.« Sie legte den Kopf zur Seite. »Hast du es je mit Melissa getrieben?«
Luke lachte verächtlich. »Du machst wohl Witze. Die war genauso doof wie Kim! Man hätte glauben können, sie wollte Nonne werden!«
Sandy wollte antworten, spürte aber plötzlich, daß etwas tief in ihrem Innern sie losließ.
Etwas, von dem sie nicht einmal gewußt hatte, daß es sie fest im Griff gehabt hatte.
Für den Bruchteil einer Sekunde fürchtete sie, sich wieder übergeben zu müssen, so wie jeden Morgen, seit sie bei Kim übernachtet hatte. Aber das Gefühl ging schnell vorbei.
Sie schüttelte völlig verwirrt den Kopf. Warum saß sie um elf Uhr morgens in der Pizzeria? Schwester Clarence würde sie umbringen!
Und ihr gegenüber saß Luke Roberts! Luke Roberts, mit dem sie doch nie mehr ein Wort wechseln wollte! Sie wollte aufspringen, doch Luke kam ihr zuvor.
»Um Himmels willen!« rief er. »Was mache ich hier? Vater Bernard und Vater Mack werden mir diesmal bestimmt den Hals brechen!« Ohne ein Abschiedswort stürzte er zur Tür hinaus und rannte in Richtung Schule.
Sandy legte das Geld für die vier Coke, die sie und Luke getrunken hatten, auf den Tisch und eilte ebenfalls in die Schule zurück. Alles, was geschehen war, seit sie das Haus der Conways betreten hatte, war in ihrem Gedächtnis ausgelöscht.
Betend ging Jared Conway durch das Eßzimmer und die Halle zur Tür. Er spürte, daß das ganze Haus vom Toben des Bösen erzitterte, und er spürte auch, daß es ihn immer noch einzufangen und in die Finsternis zurückzuzerren versuchte.
Er öffnete die Haustür und trat auf die breite Veranda hinaus. Während er die Tür hinter sich schloß, glaubte er, noch einmal seinen Vater zu hören.
Diesmal hörte er nicht auf diese Stimme.
Als er den Rasen überquerte, ging das Haus in Flammen auf. Es waren Flammen, die nie ganz gelöscht werden konnten.
Seine Arme um Mutter und Zwillingsschwester gelegt, beobachtete er das Feuer lange Zeit. Doch als das ganze Gebäude endlich in sich zusammenbrach, wandte er sich ab.
Für ihn hatte der Schrecken endlich ein Ende.
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