Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind der Prophezeiung

Kind der Prophezeiung

Titel: Kind der Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
Vom Netzwerk:
und Kälte in ihre Herzen schleichen wie in einem tiefen drasnischen Winter. Er konnte den Klang von Regen und Wind hervorbringen und sogar auf wunderbare Weise das Geräusch fallenden Schnees. Seine Geschichten waren voller Laute, die sie zum Leben erweckten, und durch diese Laute und die Worte, mit denen er seine Geschichten wob, wurde der Anblick, der Geruch und sogar das Gefühl von seltsamen Zeiten und Orten für seine gebannten Zuhörer lebendig.
    All diese Wunder gab er freigiebig im Austausch für einige Mahlzeiten, einige Krüge Bier und ein warmes Plätzchen im Heuschober, wo er schlafen konnte. Er durchstreifte die Welt, anscheinend so frei von Besitz wie ein Vogel.
    Zwischen dem Geschichtenerzähler und Tante Pol schien es so etwas wie eine geheime Beziehung zu geben. Sie hatte seiner Ankunft immer mit einer Grimasse entgegengesehen, in dem Wissen, daß die entlegensten Schätze ihrer Küche nicht in Sicherheit waren, solange er in der Nähe herumlungerte. Brotlaibe und Kuchen verschwanden auf seltsame Weise, wenn er zugegen war, und sein flinkes, immer bereites Messer konnte eine sorgfältig vorbereitete Gans hübsch ordentlich von einem Flügel befreien und mit drei geschickten Schnitten eine ansehnliche Scheibe Brustfleisch entfernen, wenn Pol ihm den Rücken zukehrte. Sie nannte ihn ›Alter Wolf‹, und sein Erscheinen am Tor von Faldors Farm markierte die Wiederaufnahme eines Wettstreits, der offensichtlich schon seit Jahren im Gange war. Er schmeichelte ihr überschwenglich, selbst wenn er sie bestahl. Bot man ihm Gebäck oder dunkles, braunes Brot an, lehnte er höflich ab, nur um einen halben Teller voll zu stehlen, noch bevor die Platte aus seiner Reichweite war. Ihre Biervorräte und der Weinkeller hätten ihm bei seiner Ankunft geradesogut direkt in die Hände gelegt werden können. Er schien seinen Spaß am Stibitzen zu haben, und wenn sie ihn mit eisenhartem Blick beobachtete, fand er leicht ein Dutzend Verbündete, die bereit waren, für eine einzige Geschichte etwas aus ihrer Küche mitgehen zu lassen.
    Unter seinen begabtesten Schülern war leider auch der Junge Garion. Oft geschah es, daß Tante Pol, abgelenkt durch die Notwendigkeit, gleichzeitig einen alten Dieb und einen Grünschnabel zu beobachten, sich mit einem Besen bewaffnete, und sie mit harten Worten und heftigen Schlägen aus der Küche trieb. Der alte Geschichtenerzähler floh dann lachend mit dem Jungen an einen sicheren Ort, wo sie sich an den Früchten ihrer Stibitzerei gütlich taten. Dort nahm der alte Mann hin und wieder einen Schluck aus einer gestohlenen Flasche Wein oder Bier und ergötzte seinen Schüler mit Geschichten aus ferner Vergangenheit.
    Die besten Geschichten wurden natürlich für den großen Speisesaal aufgespart, wenn der alte Mann, nachdem das Abendessen vorüber und die Teller zurückgeschoben waren, sich von seinem Platz erhob und seine Zuhörer in eine Welt magischer Verzauberung entführte.
    »Erzähl uns von den Anfängen, mein alter Freund«, sagte Faldor eines Abends, »und von den Göttern.«
    »Von den Anfängen und von den Göttern«, überlegte der alte Mann. »Ein lohnendes Thema, Faldor, aber ein trockenes und staubiges.«
    »Ich habe festgestellt, daß du alle Themen trocken und staubig findest, Alter Wolf«, sagte Tante Pol und ging zum Faß, um ihm einen Krug schäumenden Biers zu zapfen.
    Er nahm den Krug mit einer würdevollen Verbeugung. »Eines der Wagnisse meines Berufes, Herrin«, erklärte er. Er nahm einen tiefen Zug und stellte dann den Krug beiseite. Dann senkte er gedankenverloren den Kopf, blickte wieder auf und musterte Garion, wie es schien. Und dann tat er etwas Seltsames, etwas, das er nie zuvor getan hatte, wenn er in Faldors Speisesaal Geschichten erzählte. Er zog seinen Umhang enger um sich und erhob sich zu voller Größe.
    »Sehet«, sagte er mit voller, klingender Stimme, »am Anfang aller Tage schufen die Götter die Welt und die Meere und auch das trockene Land. Und sie setzten die Sterne an den nächtlichen Himmel und die Sonne wie auch ihren Gefährten, den Mond, ans Firmament, um der Welt Licht zu geben.
    Und die Götter ließen die Erde die Tiere hervorbringen und das Wasser die Fische und die Lüfte die Vogel.
    Und dann machten sie die Menschen und teilten sie ein in Völker.
    Und die Götter waren sieben an der Zahl, und sie waren alle gleich. Ihre Namen waren Belar, Chaldan, Nedra, Issa, Mara, Aldur und Torak.«
    Garion kannte die Geschichte natürlich;

Weitere Kostenlose Bücher