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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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zerlumpten kleinen Bande von Jüngern, die mir Essen und Wein und Rauschgift vor die Nase hielten und die mir folgten wie dumme Hündchen. Ich wehrte sie mit ungeduldigen Gesten ab, doch mein Gefolge von Möchtegern-Jüngern ließ sich auch durch Rufe und Verwünschungen nur ein kurzes Stück verscheuchen, vielleicht ein Dutzend Meter, um mich von dort aus ständig zu beobachten und en masse aus respektvoller Entfernung alle meine Bewegungen zu beobachten – sogar wenn ich die stinkende Latrine des Camps aufsuchen mußte.
    So ging es den ganzen ersten Nachmittag weiter, während ich ziellos durchs Lager wanderte, nichts hörte und nichts sah und nur versuchte, meine psychischen Ressourcen aufzubieten, um diese Geschichte bis zu ihrem Ende durchzustehen. Vraiment, praktisch gesehen hätte mich nichts davon abhalten sollen, auf der Stelle umzukehren und aus dieser ungesunden, traurigen Gegend zu fliehen, Alpa zu verlassen und mein neues Leben als Studentin der Kunst der Geschichtenerzähler zu beginnen, ohne einen Blick zurück zu werfen. Der Mann, der mein Pater Pan gewesen war, hatte mir Lebewohl gesagt und war in der letzten Leere verschwunden, aus der es keine Rettung gibt; und es gab nichts, was ich erreichen konnte, wenn ich hierblieb – außer den letzten Weg dessen zu beobachten, was im Vielfarbigen Zelt im Auf und Davon noch geblieben war.
    Doch natürlich erwies sich dieser Grund als völlig ausreichend, um die Erzählerin der Geschichten zu bewegen, diese Geschichte bis zum bitteren Ende zu ertragen, denn ich wußte sehr gut, daß, wenn ich jetzt aufgab, mein Geist nie wieder Frieden finden würde. Denn während das Kind des Glücks, das ich gewesen war, die traurige Weisheit erworben hatte, den Geist ihres Geliebten aus jenem goldenen Sommer ziehen zu lassen auf seinem unbekannten letzten Weg, den er selbst gewählt hatte, mußte die Frau, die ich werden wollte und die den Logeneid der Geschichtenerzähler geleistet hatte, der ersten Verpflichtung des Handwerks gehorchen und durfte keine neue Geschichte beginnen, solange diese nicht in einer Weise abgeschlossen war, die das Herz wirklich zufriedenstellte.
    Denn war dies nicht die Namensgeschichte meines Wanderjahrs? Wer würde ich werden, wenn ich sie jetzt ohne spirituell befriedigenden Schluß beendete – welchen passenden Eigennamen konnte ich wählen? Wem zu Ehren und mit welcher daraus zu ziehenden ästhetischen Moral? Nein, wenn ich jemand werden wollte, dann mußte es die Erzählerin sein, die sich jetzt dem Ende dieser Geschichte nähert und die deshalb in diesem Augenblick einer unausweichlichen Entscheidung die Frau wurde, die nun diese Worte festhält.
    Und so hatte ich mich, als Alpas Sonne ihren Niedergang im Himmel begann, entschlossen, in diesem Lager zu bleiben, solange Pater Pans Körper noch lebte, und wenn die Wissenschaftler die Wahrheitsagten, wenn die Gene selbst oder das kollektive Unbewußte unserer Art oder vraiment das Atman selbst, wie die Ladersüchtigen behaupten, im Untergang dieses verstärkten Geistes einen Ausdruck fand, dann würde ich dieses Echo, diesen Urgeist oder dieses zufällige Entladungsmuster herausfordern, um einen Geistesfrieden zu finden, den keine menschliche Weisheit mir mehr geben konnte.
    Nachdem ich diese Entscheidung getroffen hatte, erlaubte ich dem kühnsten der Kinder des Glücks, sich mir zu nähern – ein hübscher, goldhaariger und bronzehäutiger Junge, der mindestens zwei Jahre jünger war als ich und der mich mit der üblichen Anbetung betrachtet hatte. Seine Augen aber wurden von einer gewissenNachdenklichkeit erhellt, die mich zu der Überzeugung brachte, daß seine Hörigkeit die gesündere und individualistischere Betrachtungsweise des werdenden Mannes noch nicht ganz überlagert hatte.
    »Da ich nun völlig gegen meinen Willen zum Pontifex ernannt bin«, erklärte ich ihm, »kann ich mich auch seiner Vorrechte bedienen. Nämlich ein Zelt, in dem ich wenigstens in den Genuß von soviel Zurückgezogenheit komme, daß ich ohne Publikum schlafen und eine Mahlzeit einnehmen kann.«
    »Pas problem, o Flötenspielerin des Bloomenveldts«, sagte der Junge. »Mein Zelt und Bett sind deins.«
    »Wirklich?« erwiderte ich trocken – sowohl entrüstet als auch bezaubert von seiner Offenheit und Kühnheit.
    Er schien sich verlegen zu winden, wenn es auch etwas gespielt und unecht wirkte. »Ich werde natürlich vorübergehend woanders unterkriechen«, sagte er schnell. »Wenn du das lieber hast. Ich

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