Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
Vom Netzwerk:
aus großer Entfernung zu sprechen schien, während das letztere reglos unter meinem Griff pulsierte. »Ich erinnere mich an einen Teich in einem Garten… ich erinnere mich an eine Hand unter einer Duschkabine… ich erinnere mich an die Schwester vom gleichen Geist…«
    »Ja, Pater, ja!« rief ich, indem ich sein Fleisch drückte.
    »Ich erinnere mich an das große Edoku und die Ruinen von Uns-Die-Schon-Früher- Gegangen-Sind und an Babylon und Tyrus, ich erinnere mich an den Sommer der Liebe und die Nacht der Generäle, und ich erinnere mich, wie ich von den Bäumen kletterte und in neu erwachtem Staunen den Sonnenaufgang des Bewußtseins über der Ebene anstarrte…«
    Merde, er trieb wieder ab, oder vielleicht war er noch gar nicht da gewesen! War es nur eine zufällige Verbindung von Neuronen gewesen, die in einem verbrannten Gehirn aufblitzten und die ich einen Augenblick für den wirklichen Mann gehalten hatte? Wie dem auch sei, es war der Mann, mit dem ich sprechen wollte; nicht mit dem Orakel dieser anbetungsvollen Gören, sondern mit dem, der aus mir unbekannten Gründen beschlossen hatte, seinen Geist der zärtlichen oder sonstwie gearteten Gunst des Laders auszuliefern, und ich würde mich nicht zufrieden geben, ehe ich diesen Pater Pan wiedererweckt und nach dem Grund gefragt hatte.
    »Hör auf mit diesem delphischen Geschwätz!« rief ich, indem ich an seinem Phallus riß, als könnte ich mit roher Gewalt den Mann erwecken. »Sprich aus deinem Herzen! Wie konntest du von allen Männern deinen Geist dem üblen Lader überlassen? Sprich im Namen des Geistes, den wir einst teilten!«
    Bildete ich mir nur ein, daß ein blasser Geist des alten Funkens in seine Augen zurückgekehrt war? Spielte ein wehmütiges Lächeln um seine Lippen?
    »Moussa…«, sagte er. »Meine Geschichtenerzählerin ist gekommen, um Lebewohl zu sagen…«
    »Warum müssen wir Lebewohl sagen, Pater? Warum mußt du so etwas Schreckliches tun?«
    »Je ne sais pas, muchacha«, sagte Pater Pan, und nun war ich sicher, daß er irgendwie wieder er selbst war. »Alle unsere Zauberstraßen müssen eines Tages enden, wenn uns auch noch niemand erklären konnte, warum…«
    »Ist dies der Mann, der einst schwor, all die weitverstreuten Menschenwelten zu besuchen und als Zeuge die Geschichte unserer ganzen Art zu erleben?« fragte ich mit Tränen in den Augen.
    »C’est moi, muchacha, er, der in traumlosem Schlaf den Funken der Arkies durch die langen, langsamen Jahrhunderte trug und der jetzt seinen Wettlauf gegen die Zeit verloren hat, den am Ende nicht einmal ich gewinnen konnte.«
    Mit einem gräßlichen neuen Verständnis betrachtete ich diese eingesunkene Gestalt, das grau durchwirkte, zottige Haar, seine faltige, ledrige Haut. So hatten die sterbenden Babas des Bloomenveldts ausgesehen, als sie vor den Blumen ihrer Vollendung saßen. Die Zeit des Körpers hatte den Geist des ewigen Gypsy Joker doch noch eingeholt – die Hand des Todes lag auf seiner Schulter.
    »Ich erinnere mich an alles, was ich je war, muchacha, und an alles, was ich nicht war, und ich erinnere mich, daß ich dir Lebewohl sagte, ehe du mich zurückriefst«, sagte Pater Pan mit schmerzerfüllter, klagender Stimme, während ich mein Schluchzen unterdrückte. »Und jetzt muß ich mich an das erinnern, das wir unser Leben lang zu vergessen suchten.«
    »Oh, Pater, warum?« sagte ich unter Tränen. »Wenn unser aller Leben enden muß, warum muß dann die edle Geschichte deines Lebens auf diese Weise enden?«
    »Der Inuit wandert gefaßt über das Eis, um eine letzte, ewige Nacht unter der gefrorenen Zeit der Sterne zu sitzen. Im Han der alten Zeiten gaben wir uns am Ende unserer Tage dem Atem der Lotusblume hin, wenn der Augenblick gekommen war, unseren Platz auf dem Rad zu verlassen. Der Arkie friert seinen Funken in den langen, langsamen Jahrhunderten zwischen den Sternen ein. Der Weise schluckt seinen psychotropen Schierling. Der Prinz der Joker reist, schnipp! schnipp! schnipp! wie der Rapid ins Auf und Davon.«
    Vor meinem geistigen Auge sah ich die Babas des Bloomenveldts im Frieden mit sich selbst unter den Blumen ihrer Vollendung – ein Friede, der buchstäblich über das Verständnis jedes Menschen ging, dessen Geist und Körper auf Jahrhunderte der Jugend vorausblicken konnte, statt auf Wochen immer schnelleren Verfalls. Doch in meinem Herzen sah ich Guy Vlad Boca, einen Geist, der genau diesen Hinübergang vom wachen menschlichem Bewußtsein in der vollen

Weitere Kostenlose Bücher