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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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Blüte abenteuerlustiger Jugend gewählt hatte.
    »Weine nicht, Mädchen«, sagte Pater. »Mein Ich, das du kanntest, ist nicht mehr, und du sprichst mit dem Joker-Geist, den er zurückließ, um Lebewohl zu sagen. Aber ich bin real genug, um traurig zu sein, daß ich diese Welten verlassen muß – doch wenn du eine Schwester meines Geistes bist, dann wirst du mich gehen lassen.«
    »Kann ich wirklich nichts tun?« fragte ich aus den Tiefen meines Geistes. Denn in diesem Augenblick war mir, als wandte ich mich wieder an Guy, wie damals, als ich ihm in den Tiefen des Bloomenveldts den Rücken gekehrt und den einsamen Pfad meiner eigenen Rettung gesucht hatte. Ich hatte mir damals gesagt, daß ich nichts weiter tun konnte, und ich hatte mir in der ganzen Zwischenzeit nachträglich keine vernünftigere Handlungsweise erdenken können, doch ich hatte im Grunde meines Herzens bis zu diesem Augenblick nie geglaubt, daß ich völlig ehrenhaft gehandelt hatte.
    »Du kannst nur einen sterblichen Geist in tödlicher Qual festhalten«, sagte Pater Pan, »der, nachdem er daheim war, schon lange in unbekannte Reiche geflohen ist. Ich war glücklich, als ich ging; denn statt in Selbstmitleid und Pein zu sterben, entschloß ich mich zu einer letzten Reise auf der Zauberstraße, um zu sehen, was es dort im letzten Geheimnis des Auf und Davon zu sehen gibt.«
    »Möge dein Weg sich erheben und dir entgegenkommen, mi amor«, sagte ich, während ich den Tränen freien Lauf ließ und den Hebel seines kundalinischen Getriebes, das dieses Echo des Mannes hervorgerufen hatte, freigab.
    Lange hatte ich mich gescholten, weil ich nicht in einem verzweifelten Versuch meinen bewußten Geist aufs Spiel gesetzt hatte, um Guy aus seinen höchsten und letzten Freuden zu retten. Dort in den Tiefen des Bloomenveldts hatte ich ihm den Rücken gekehrt und den Geist eines Freundes und Geliebten ziehen gelassen, und nicht moralische Überlegung hatte mich zu dieser Entscheidung veranlaßt, sondern die Notwendigkeit meines Überlebens. Deshalb hatte ich mich insgeheim in meinem Herzen einen Feigling genannt.
    Und nun, in diesem Vielfarbigen Zelt, lehrte mich die bitterste aller Lektionen doch, mir selbst zu verzeihen; denn nun erkannte ich zu meinem Entsetzen, daß es manchmal die größere Liebe und den größeren Mut des Geistes erfordert, mit schmerzendem und verständnislosem Herzen dabeizustehen und die Dinge geschehen zu lassen.
    Mit Tränen in den Augen und zitternd, nicht wissend, was ich fühlte oder was ich angemessenerweise fühlen sollte, drehte ich mich um und wollte diesen Ort verlassen, um irgendwo allein zu sein – und sah mich etwa einem Dutzend anbetender Augenpaare gegenüber.
    Sie starrten mich an, wie sie einst Pater Pan angestarrt hatten, als hätte ich mich zur Wahrsagerin ihres dunklen Kults gesalbt und mich als Begleiterin ihres Herrn erwiesen. Auf diese Weise hatte ich ironischerweise erreicht, was ich einst so begierig gesucht hatte, nämlich den Vorsitz über einen Karneval der Kinder des Glücks an der Seite des Königs der Gypsies! Und diese Erkenntnis verstärkte noch die Abscheu, die ich empfand, als ich mich im Zentrum dieses Miasmas von kriecherischer Unterwürfigkeit sah; eine Haltung, die diese verlorenen Kinder des Glücks verbreiteten wie klebrigen Dunst aus giftiger Melasse. Nicht einmal Rollo, Platte, Goldrute und meine Moussa hatten ihre Flötenspielerin in den Tiefen des Bloomenveldts auf diese Weise betrachtet!
    »Was starrt ihr mich so an?« fragte ich wütend.
    »Die Flötenspielerin des Bloomenveldts…«
    »Beschwörerin mächtiger Geister…«
    »Pater Pans wahre Geliebte…«
    »Pah!« knurrte ich. »Und ihr nennt euch Kinder des Glücks? Beschwört lieber den Geist, der durch euren eigenen Körper spricht, und gebt eure Lust auf alle Gurus und Gottheiten auf, ihr unfähigen Gören!«
    Mit diesen Worten hatte ich wenigstens für den Augenblick ihre geistlose Aufmerksamkeit zerstreut und stürmte wie ein Wirbelwind aus den tödlichen Schatten des Zelts in den klaren, sauberen Glanz des Tages.
    Aber naturellement konnte ich das Lager nicht verlassen, ohne daß das letzte Kapitel von Pater Pans Geschichte erzählt war, und aus diesem Grund konnte ich mir nicht viele Augenblicke der Einsamkeit stehlen, denn die Einwohner umgaben mich ständig und behelligten mich mit völlig unerwünschten Ansuchen, sobald ich das Zelt verlassen hatte.
    Kaum war ich ins Tageslicht getreten, da sah ich mich im Zentrum einer

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