Kind des Glücks
aufmachten, war Pater Pan der Funke, der in ihren großen, langsamen Arkologien mit ihnen flog, der in der Dunkelheit der langen Lichtjahre und gefrorenen Jahrhunderte zwischen den Sternen die Fackel hochhielt.
Und als die Wissenschaftler unserer Rasse das Geheimnis des Sprungs aus den vergessenen Erzählungen der Uns-Die-Schon-Früher- Gegangen-Sind entrissen, als unser Zweites Raumfahrendes Zeitalter begann, erwachte der König der Zigeuner und der Prinz der Joker aus seinem langen Schlaf unter dem Zauberberg, um den Funken der Arkies weiterzutragen, wo immer Kinder des Glücks über die Zauberstraße zu den weitverstreuten Menschenwelten hinauswanderten!«
Goldene, göttliche, blaue Augen spiegelten die azurene Tiefe des Himmels; eine mächtige Stimme sprach nicht aus ihm, sondern durch ihn, und dieses wundervolle Wesen nahm seine Patchwork-Bluse, wirbelte sie über den Kopf und legte sie dramatisch um die nackten Schultern.
»Voilà, das Geheimnis des Vielfarbigen Tuchs, der Traje de Luces, das Banner des ewigen Flötenspielers!« rief er mit einem löwengleichen Brüllen. »Jeder Flicken ist ein Stück von einem früheren Kleid! Jedes Fragment des Ganzen ist ein Augenblick, ein Gesicht, ein Stück Zeit, ein Lächeln, ein Lachen, ein Gefährte auf dem Weg! Und jeder franst irgendwann aus und vergeht und wird von einem anderen ersetzt! Jeder einzelne Flicken schmückt eine Zeitlang das Banner, das den Geist Pater Pans eine Million Jahre bekleidete, um dann für immer zu verschwinden! Nicht ein Faden des ursprünglichen Gewandes ist noch da! Und doch lebt der Traje de Luces immer weiter und weiter!«
Er kniete nieder und sah mir ins Gesicht, und in diesem Augenblick wußte ich nicht, ob ich eine Sagengestalt oder einen Mann sah.
»C’est moi«, sagte er mit einer Stimme, die plötzlich erheblich weniger feierlich klang. »Dieses Vielfarbige Tuch, das bin ich, Mädchen. Der ewige Geist und der natürliche Mann. Ein altes Stück Tuch und das prächtige Ganze, der Sänger, der vergeht, und das Lied, das immer weiterlebt.«
Er zuckte die Achseln, lächelte und schien in sich zusammenzusinken wie eine große Blume, die sich zur bescheidenen Knospe zusammenzieht, aus der sie geboren wurde.
»Und das war die Namensgeschichte von Pater Pan«, sagte er leichthin.
Ich brauche wohl nicht eigens zu betonen, daß ich noch nie eine solche Namensgeschichte gehört hatte, und gewiß nicht eine, die in so theatralischer Manier vorgetragen wurde – als wäre der gewöhnliche Mann aus Fleisch und Blut, den ich kurz zuvor noch in den Armen gehalten hatte, plötzlich ein Schauspieler auf einer Bühne, wo er sich den Charakter eines viel Größeren überstreifte, vraiment, größer als jeder Sterbliche, Worte sprechend, die ein anderer und zumindest literarisch bewanderterer Geist durch ihn verkündete.
Andererseits konnte ich selbst in meinem ehrfürchtig benommenen Zustand erkennen, daß Pater Pan mir nichts über den Mann aus Fleisch und Blut und so weiter gesagt hatte, daß er diese Verschleierung in ein Gewand grandioser Rhetorik und extravaganter Poesie gekleidet hatte – nicht weniger verwirrend und schillernd als das Vielfarbige Tuch, das er sich um den edlen Körper gelegt hatte wie eine Königsrobe. Eine Flunkerei war es, aber eine wundervolle, um wieviel großartiger, als es die ungeschminkte Wahrheit einer bloß menschlichen Ahnentafel sein konnte!
Außerdem, selbst in diesem Augenblick schien es mir, daß wirklich ein mächtiger Geist durch diesen wundervollen Scharlatan sprach, denn während ich kaum den Worten glauben konnte, die mit einer tausendjährigen Geschichte im Mittelpunkt der ganzen menschlichen Geschichte prahlten, so war mein Herz doch mit der höheren und weniger schlüssigen Musik des Liedes erfüllt.
Denn wie Pater Pan erklärt hatte, war das Lied vor dem Sänger, und wenn der Mann, der neben mir saß, vor langer Zeit beschlossen hatte, seine körperliche Herkunft in die höhere Wahrheit einer Metapher zu kleiden, um die Legende dessen zu werden, das er sang – wer war ich zu behaupten, die alltägliche Wahrheit sei dem Geist näher als die edlen Lügen der Literatur?
Vielleicht spreche ich jetzt nicht wie das junge Mädchen, das ich damals war, doch als die Erzählerin dieser Geschichten besitze ich sowohl den Willen, meine erzählerische Kunst über die bloße akkurate Wiedergabe zu stellen, als auch die durch Erfahrung gereifte theoretische Grundlage, solche Weisheit in das
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