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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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Bewußtsein des Mädchens zu legen, das ich damals war.
    Aber dies nur, um meine Absicht deutlicher zu machen, denn die innere Wahrheit der Angelegenheit ist die, daß in diesem Augenblick die Heldin der Geschichte den ersten Schritt auf der Straße machte, auf der sie schließlich zur Erzählerin ihrer Geschichte wurde, was heißen soll, daß Moussa Shasta Leonardo zum ersten Mal in ihrem jungen Leben die Musik eines Geistes vernommen hatte, der ihre Ambitionen über das Lied ihres Ichs hinaustrug.
    Nicht, daß ich deshalb weniger entschlossen war, diesen Mann zu meinem Gönner und Geliebten zu machen, um mich durch Aufnahme in seinen Stamm aus der Armut zu befreien; doch nun hatten sich pekuniäre Überlegungen mit dem Ding an sich vermischt, denn es war jetzt mein aufrichtiger Wunsch, an dem Geist dessen teilzuhaben, das mir wie ein edles, herrliches Unterfangen schien: eine echte Gypsy Joker mit dem Lied des Stammes im Herzen zu werden.
    Als besäße er die Macht, meine Gedanken zu lesen – oder, was wahrscheinlicher schien, die lange Erfahrung, die Wirkung seiner Namensgeschichte auf Menschen wie mich einzuschätzen –, kehrte Pater Pan zu seiner früheren, weniger einschüchternden und zugleich praktischer veranlagten Persönlichkeit zurück.
    »Und nun«, sagte er, »da du mich mit deinen geheimen Kräften als Geliebte beeindruckt hast und ich dich mit meiner edlen Namensgeschichte, nun wollen wir zur Sache kommen. Mädchen, was willst du wirklich?«
    »Nun, mit dir sein, wie du inzwischen doch wissen mußt!« erklärte ich mit unschuldiger Offenheit. »Ich will Gypsy Joker werden! Von ganzem Herzen!«
    Pater lachte. »Soweit es um meine phallischen Vorzüge geht, pas problem, denn diese gewähre ich kostenlos allen, die umgekehrt mich erfreuen, wie du inzwischen wissen mußt«, sagte er. »Was aber die Aufnahme bei den Gypsy Jokern angeht, so kannst du sie erlangen, indem du hundert Münzen Ruegelt in meine Hand legst.«
    »Was?« rief ich, durch eine so unverschämte Forderung aus den Wolken des Geistes in den Schmutz betrügerischer Majas niedergeworfen. »Quelle chose! Was bist du für ein Mann, so mit deiner Geliebten zu reden! Wie wagst du es – «
    »Friede!« erklärte Pater Pan, indem er die Hand hob und das völlig unangemessene Lächeln süßer Vernunft aufsetzte. »Gewiß sind doch für eine Frau wie dich, die geheime tantrische Kräfte besitzt, mit denen sie sogar die erschöpfte Bewunderung des mächtigen Pater Pan gewinnen kann, lächerliche hundert Stücke Ruegelt ein Nichts, nada, ein Almosen, der Verdienst eines ruhigen Nachmittags…«
    Diese Entgegnung gab mir meine frühere Verschlagenheit zurück. Wenn er darauf bestand, unser Zusammensein auf der Ebene eines Marktplatzes abzuhandeln, dann konnte ich dieser Logik durchaus folgen, und es blieb abzuwarten, wer die Oberhand gewann.
    »Also ist es deine fachlich qualifizierte Meinung, daß ich mit einer Darbietung meiner tantrischen Künste ohne weiteres hundert Stück Ruegelt verdienen könnte?« fragte ich in einem verwunderten und unschuldigen Ton, der, au contraire, in diesem Augenblick alles andere war als arglose Unschuld.
    »Aber gewiß doch!« erklärte mein Opfer. »Du brauchst nur das halbe Geschick zu zeigen, das du bewiesen hast, und deine Dienste auf der Straße anzubieten. Ein paar kostenlose Zärtlichkeiten, um Eindruck zu machen und den Kunden zu ködern, dann setzt du deinen Preis fest, und voilà!«
    »Vielleicht hast du recht«, räumte ich ein. »Aber ich bin in derartigen Geschäftsbeziehungen völlig unerfahren. Was glaubst du, wieviel Ruegelt ich verlangen könnte?«
    Pater Pan zuckte die Achseln. »Quién sabe?« sagte er. »Die Geilheit des Kunden, der Inhalt seiner Börse, seine Großzügigkeit – all dies ist ebenso wichtig wie der absolute Wert der Ware, no? Aber du solltest am Anfang immer einen Preis für Extras festsetzen, denn du wirst nie ein Angebot bekommen, das höher ist als dein ursprünglicher Preis.«
    »Ob ich zweihundert verlangen könnte?« fragte ich.
    »Zweihundert!« rief Pater. »Bei diesem Preis wirst du nicht viele Kunden haben. Natürlich wird es immer ein paar geben, die bereit sind, ihn zu zahlen, denn schließlich ist deine Kunst recht außergewöhnlich, wie ich Gelegenheit hatte zu erfahren…«
    »In der Tat, die hattest du«, sagte ich verschlagen, indem ich mich zum Sprung spannte. »Ich verneige mich vor deiner Weisheit, o großer Geist des Handels. In Zukunft werde ich also

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