Kinder der Apokalypse
herauszufinden, warte, dass es mir jemand sagt. Aber meine Träume tun das nicht. Sie sagen mir nur, dass es geschehen wird.«
»Wenn deine Träume dir so viel sagen, dann musst du glauben, dass sie dir irgendwann auch den Rest verraten.« Sie tätschelte seine Hand. »Ich werde die Geschichte nicht wieder erzählen. Nicht, bevor du es mir sagst. Nicht, bevor du selbst mehr weißt.«
Er nickte, erkannte, dass er kleinlich gewesen war, empfand aber gleichzeitig das Bedürfnis, seine Vision zu beschützen. Der Traum war alles, was er hatte. Er war die Grundlage seiner Führerschaft, der Grund, wieso er die Ghosts zusammenhalten konnte. Ohne den Traum war er nur ein Straßenkind unter vielen, verwaist und verlassen, das sein Leben in dieser postapokalyptischen Welt führte, in der alle verrückt geworden waren. Ohne den Traum hatte er denen, die sich auf ihn verließen, nichts zu geben.
»Eines Tages wirst du den Rest träumen«, versicherte Owl ihm, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Ganz bestimmt, Hawk.«
»Das weiß ich«, erwiderte er schnell.
Aber tatsächlich wusste er es nicht.
* **
Es ist Tessa, die Owl zu ihm bringt, als er noch neu in der Stadt ist und allein im Untergrund lebt. Er ist vierzehn Jahre alt, und Owl, die damals Margaret hieß, ist unendlich viel älter und reifer und achtzehn. Hawk trifft sich mit Tessa nachts, und sie überrascht ihn, indem sie ein kleines, unscheinbares und stilles Mädchen in einem Rollstuhl mitbringt.
Sie stehen im Windschatten der letzten Mauer eines ansonsten eingestürzten Gebäudes, keine hundert Schritt von Safeco entfernt, als Tessa ihm erzählt, was das andere Mädchen dort macht.
»Margaret kann nicht mehr im Lager leben« , sagt sie. »Sie braucht ein anderes Zuhause. «
Hawk schaut das Mädchen im Rollstuhl und den Umriss ihrer welken Beine unter einer Decke an. »Im Lager ist es sicherer« , sagt er.
Margaret begegnet seinem Blick. »Ich sterbe dort. «
»Bist du krank?«
»Tief drinnen im Herzen. Ich brauche Raum und Freiheit. «
Er versteht sie sofort, aber er kann nicht glauben, dass sie bei ihm besser dran sein soll. »Was ist mit deinen Eltern?«
»Vor neun Jahren gestorben. Ich habe keine Verwandten. Tessa ist meine einzige wirkliche Freundin. « Sie sieht ihn weiterhin an. »Ich kann mich um mich selbst kümmern. Ich kann euch auch helfen, euch um euch selbst zu kümmern. Ich weiß viel über Krankheiten und Arzneien. Ich kann euch lehren. «
»Sie ist die, nach der du suchst« , wirft Tessa plötzlich ein.
»Sie kann nicht laufen«, hätte Hawk beinahe gesagt, aber er schafft es, es sich zu verkneifen, erkennt gerade noch rechtzeitig, was für ein Urteil er beinahe abgegeben hätte.
»Sag ihr, was es ist, das du tun willst« , drängt Tessa. »Lass dir von ihr erzählen, was sie denkt. «
Er schüttelt den Kopf. »Nein. «
»Dann mache ich es. «
Hawk läuft bei dem Tadel rot an. »Also gut. « Er spricht, ohne Margaret anzusehen. »Ich will eine Familie gründen. Ich habe keine Familie, und ich will eine. «
»Erzähl ihr auch den Rest. «
Sie will, dass er von seinem Traum spricht. Sie ist zu allem entschlossen, das sieht er ihr an. Genauso wie Tessa.
Sein Blick wechselt ruckartig wieder zu dem anderen Mädchen. »Ich will Kids, wie ich eins bin, um mich versammeln, und ich will sie von hier wegbringen, an einen Ort, an dem sie in Sicherheit sind. « Er kommt sich bei diesen Worten wie ein kleiner Junge vor. Es klingt einfach nur dumm. Er muss ihr mehr sagen. Er holt tief Luft. »Ich habe gesehen, dass ich es tun würde, in einem Traum« , schließt er.
Margaret lacht nicht. Ihre Miene ändert sich kein bisschen, nur ein Flackern des Erkennens tritt in ihren Blick. »Du wirst der Vater sein und ich die Mutter. «
Er zögert. »Du glaubst mir?«
»Warum sollte dein Traum nicht so wahr sein wie die von allen anderen? Warum solltest du nicht tun, was du willst? Tessa sagt, du bist etwas Besonderes. Ich weiß, was sie damit meint. Ich kann es erkennen, wenn ich dich sehe. Wenn ich dir zuhöre. Ich habe keine Träume mehr, ich habe nicht einmal mehr Hoffnung, und ich will beides wiederhaben. Wenn ich mit dir komme, kehrt das zu mir zurück, das glaube ich jedenfalls. «
Er schüttelt den Kopf. »Es ist gefährlich in den Ruinen, außerhalb der Lagermauern. Du weißt, was da draußen ist, oder?«
»Ich weiß es. «
»Ich kann nicht die ganze Zeit bei dir sein. Vielleicht bin ich gerade nicht da, um dich zu schützen, wenn du
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