Kinder der Apokalypse
Ausschau, fand keine und begab sich den Hügel hinunter zum Wasser, Cheney vor sich. Der borstige Hund ging mit gesenktem Kopf, den er von einer Seite zur anderen schwang. Sein seltsamer Gang war dem Jungen inzwischen vertraut. Es kam ihm vor, als sei Cheney nicht ganz sicher, wohin er ging, aber das täuschte. Cheney wusste immer, wohin er ging und was im Weg lag. Er war einfach nur wachsam. Cheney wusste mehr als jeder andere, wie man überlebte.
Als er Cheney fand, war der Hund ein kräftiger Welpe gewesen, der in den Überresten eines eingestürzten Gebäudes in der Innenstadt nach Futter suchte, halb verhungert und wild. Der Welpe hatte ihn mutig angeknurrt und gewarnt. Fasziniert hatte sich Hawk niedergekniet und ihm einen Streifen Dörrfleisch angeboten, den er dabeihatte, und dann gewartet, dass der Hund sich näherte. Der Welpe hatte ihn lange Zeit nur beobachtet, ohne etwas anderes zu tun, die grauen Augen Unheil verkündend, hart und misstrauisch. Hawk hatte ebenfalls gewartet und den finsteren Blick des Hundes erwidert. Etwas war zwischen ihnen geschehen, ein Einverständnis, vielleicht ein Erkennen – Hawk war nie ganz sicher gewesen. Schließlich war der Welpe ein wenig näher gekommen, aber nicht nahe genug, um berührt werden zu können. Hawk hatte weiter gewartet und ihm dann das Fleisch zugeworfen, hatte sich umgedreht und war gegangen. Er hatte genug anderes zu tun und ohnehin keinen Platz in seinem Leben für einen Hund gehabt. Er hatte gerade erst Sparrow und Fixit in den Untergrund gebracht, damit sie sich zu Owl und ihm gesellten, der Auftakt seiner kleinen Familie, und es war schwierig genug gewesen, Essen für sie vier zu finden, ohne noch einen Hund durchzufüttern.
Aber als er zurückgeblickt hatte, hatte er gesehen, dass der Welpe ihm folgte, immer außer Reichweite, aber nahe genug, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Drei Block später war er immer noch da. Hawk hatte versucht ihn wegzuscheuchen, aber er war nicht geflohen. Am Ende hatte die Hartnäckigkeit des Hundes den Jungen überzeugt. Cheney war den ganzen Weg bis zum Eingang zum Untergrund bei ihm geblieben, hatte sich aber geweigert hineinzukommen. Als er ihn am nächsten Morgen dort fand, hatte er ihn wieder gefüttert. Das war wochenlang so weitergegangen, bis Hawk eines Tages beschlossen hatte, den Hund mit nach unten zu nehmen. Als sie ihr Heim erreichten, hatte Cheney sich vorsichtig umgesehen, alle Ecken beschnuppert und die vier Kinder, sich dann eine Ecke ausgesucht, sich zusammengerollt und war eingeschlafen.
Danach war er mit ihnen drinnen geblieben. Aber er hatte sich nie mit einem anderen außer Hawk angefreundet. Er gestattete allen, ihn zu berühren, wenn sie mutig genug waren, aber er hielt sich mit Zuneigungsbekundungen zurück, außer wenn Hawk anwesend war. Der Junge konnte Cheneys Verhalten nicht erklären, außer dass er derjenige war, der den Hund gefunden hatte, als er noch ein Welpe gewesen war, und ihn gefüttert hatte, aber er war irgendwie stolz darauf, dass Cheney, wenn er überhaupt jemandem gehörte, sein Hund war. Nun blickte er zu dem großen Tier, das gerade die Straße überschaute, witterte und die Ohren aufstellte, stets bereit. Cheney sah nicht wie ein Geschöpf aus, mit dem man sich anlegen sollte. Er war groß, aber wenn er sich bedroht fühlte, wurde er doppelt so groß, sein dichtes Fell sträubte sich dann, und er fletschte die riesigen Zähne. Das war nicht nur Theater. Heute hatte Hawk einen dieser Schlagstöcke zum Schutz dabei, aber einmal, als das nicht der Fall gewesen war, nicht ganz ein Jahr, nachdem er Cheney gefunden hatte, war er in einer Gasse zwei Krächzern in die Falle gegangen.
Krächzer waren zombieähnliche Überlebende, die zu viel von den Giften und Chemikalien aufgenommen hatten, die bei den Terroristenangriffen und fehlgeleiteten Vergeltungsaktionen eingesetzt worden waren. Sie waren schon halbtot und von den Lagern ausgestoßen worden, also durchstreiften sie die Straßen und Häuser und warteten auf den Tod. Krächzer waren ausgesprochen gefährlich. Selbst der kleinste Kratzer oder Biss konnte einen infizieren. Diese beiden waren besonders ungezügelt – die Summe ihres Zorns und ihrer Frustration galt Hawk, als sie sahen, dass er ihnen nicht mehr entgehen konnte. Aber sie hatten sich so sehr auf den Jungen konzentriert, dass Cheney ihnen irgendwie entgangen war, und das hatte sich als tödlicher Fehler erwiesen. Der große Hund war lautlos auf sie
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