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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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und legte einen Arm um Leya und den anderen um Sher. „Brecht auf. Wir werden winken und euch in Skulny treffen.“
    Maris wandte sich S’Rella zu und sah, daß die jüngere Frau sie aufmerksam beobachtete. Ihr ganzer Körper war angespannt und wartete nur auf ein Zeichen von Maris. Sie erinnerte sich an ihre ersten eigenen Flüge, als sie nicht glauben konnte, daß ihr die Flügel wirklich gehörten. Sie berührte S’Rellas Schulter und sprach freundlich zu ihr.
    „Wir bleiben dicht beisammen und vermeiden Schwierigkeiten“, sagte sie. „Kunststücke werden erst bei den Wettkämpfen vollführt. Nun wollen wir uns auf einen gleichmäßigen Flug konzentrieren. Es wird ein langer Flug für dich, das weiß ich, aber mach dir keine Sorgen – du hast genug Ausdauer für eine doppelt so lange Strecke. Entspann dich und habe Selbstvertrauen. Ich werde zwar auf dich aufpassen, aber du brauchst mich nicht.“
    „Danke“, sagte S’Rella. „Ich werde mein Bestes geben!“
    Maris nickte und gab das Zeichen. Damen und Liane entfalteten ihre Flügel Strebe für Strebe, bis die Flügelspannweite des hellen Silbergewebes zwanzig Fuß betrug. Sie sprang in den kühlen, stetigen regenerfüllten Wind und ließ einen Chor von Lebewohls und guten Wünschen zurück. Sie kreiste, beobachtete S’Rellas Start und versuchte ihn nach Wettkampfmaßstäben zu beurteilen.
    Es bestand kein Zweifel, S’Rella hatte ihr Können unter Beweis gestellt. Ihre Ungeschicklichkeit war verschwunden, sie zögerte keinen Moment, sondern sprang, nachdem sie den Wind begutachtet hatte, mutig von der Klippe und begann fast augenblicklich zu steigen.
    „Deine Flügel sind ganz bestimmt nicht aus Holz!“ rief Maris ihr zu.
    Dann zogen beide ungeduldig weite Kreise am Himmel und warteten auf Val.
    Während der Vorbereitungen hatte er sich die ganze Zeit gegen die Tür gelehnt. Er war abseits geblieben. Sein Gesicht zeigte keine Regung. Ohne fremde Hilfe hatte er seine Flügel angelegt, nun schritt er ruhig durch die Gruppe von Studenten und Möchtegernfliegern und stand aufrecht am Rand des Abgrunds. Gewissenhaft entfaltete er die ersten drei Streben, aber ließ sie nicht einrasten. Dann steckte er die Arme durch die Schlaufen, streckte sie, kniete nieder und stand wieder auf.
    Damen wollte ihm helfen, aber Val drehte sich um und herrschte ihn an. Maris, die über allem kreiste, konnte seine Worte nicht verstehen. Damen wich verwirrt zurück.
    Dann lachte Val und sprang.
    S’Rella zitterte deutlich sichtbar in der Luft. Ihre Flügel schwankten vor Schreck. Aus der Tiefe hörte Maris jemand rufen, dann fluchte jemand.
    Val fiel mit gestrecktem Körper, wie ein Taucher, zwanzig Fuß, vierzig …
    Plötzlich endete sein Fall, und aus dem Nichts blitzten seine silbernen Flügel im Sonnenlicht auf. Sie schienen sich aus eigenem Antrieb entfaltet zu haben und verursachten ein schrilles Pfeifen in der Luft, die Val einzufangen, zu reiten schien. Er flog fast augenblicklich, schoß mit unglaublicher Geschwindigkeit über die Brecher dahin, stieg auf, schraubte sich hoch, wobei die Wellen, die Felsen und der Tod von Sekunde zu Sekunde weiter unter ihm zurückblieben. Maris konnte das helle Geräusch seines triumphierenden, vom Wind verwehten Gelächters in der Ferne hören.
    S’Rella hatte ihren Flug überzogen und war fast zum Stillstand gekommen, sie betrachtete Val noch immer. Maris rief ihr einen Befehl zu, S’Rella brachte die Flügel in Schräglage und kippte nach hinten ab, auf das Land zu. Über der Festung, deren nackte Felsen von der Sonne erwärmt wurden, fand sie starke Thermik und segelte sicher zurück.
    Unten fluchte Sena zu Val hinauf und schüttelte ihren Stock in apoplektischer Wut. Er aber schenkte ihr keine Aufmerksamkeit, sondern stieg höher und höher. Von den auf der Klippe stehenden Holzflüglern ertönte vereinzelter Applaus.
    Maris folgte ihm, legte sich schräg, unterbrach ihr Kreisen und flog auf die See hinaus. Val lag weit vorn. Jetzt gab er sich keine besondere Mühe mehr und verzichtete auf weitere Kunststücke.
    Als sie ihn einholte, flog sie so nahe sie konnte an ihn heran – über ihm, kurz hinter ihm, rechts von ihm – und belegte ihn miFSchimpfworten, die sie sich großzügig aus Senas reichhaltigerem Vokabelschatz ausgeliehen hatte.
    Val lachte sie aus.
    „Das war gefährlich, sinnlos und dumm“, rief Maris. „Du hättest dabei umkommen können … eine verklemmte Strebe … wenn du sie nicht kräftig genug

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