Kinder der Stürme
helfen, Flieger?“ Es klang wie der Refrain eines Liedes. „Dürfen wir dir helfen, Flieger?“ Ihre Hände berührten ihn.
„Schert euch weg“, befahl er mit wütender Stimme. Verwirrt sprangen die Mädchen zurück, selbst Maris blickte auf. Val war immer sehr kühl und beherrscht. Dieser Wutausbruch paßte nicht zu ihm.
„Wir wollen dir nur helfen, die Flügel abzunehmen, Flieger“, sagte das mutigere Mädchen.
„Kennt ihr keinen Stolz?“ fragte Val und legte die Flügel ohne fremde Hilfe ab. „Habt ihr nichts Besseres zu tun, als Fliegern zu schmeicheln, die euch wie Dreck behandeln? Welchen Beruf haben eure Eltern?“
„Gerber, Flieger“, sagte das Mädchen zaghaft.
„Dann geht und lernt das Gerben“, sagte er. „Es ist ein saubereres Handwerk, als Fliegern zu dienen.“ Er drehte sich von ihnen weg und begann seine Flügel sorgfältig zu falten.
Auch Maris und S’Rella waren nun von ihren Flügeln befreit. „Hier“, sagte der Junge, der ihr geholfen hatte und hielt ihr die ordentlich gefalteten Flügel entgegen. Beschämt griff Maris in die Tasche und wollte dem Jungen eine Eisenmünze geben. Sie hatte die Hilfe immer akzeptiert, ohne dafür zu zahlen, aber etwas von Vals Zurechtweisung hatte sie erschreckt.
Aber der Junge lachte nur und weigerte sich, das Geld anzunehmen. „Weißt du nicht“, sagte er, „daß es Glück bringt, die Schwingen eines Fliegers zu berühren.“ Und schon war er verschwunden. Während er auf seine Freunde zulief, sah Maris, daß der Strand voller Kinder war. Sie waren überall, halfen die Pfähle aufstellen, spielten im Sand und warteten darauf, einem Flieger helfen zu dürfen.
Beim Anblick der Kinder mußte Maris an Val denken. Sie überlegte, ob es auf der Insel wohl noch andere gäbe, die durch die Flieger und die Wettkämpfe nicht in Verzückung gerieten, die verdrießlich zu Hause blieben bei ihresgleichen und sich über die privilegierte Kaste der Flieger ärgerten.
„Nimm deine Flügel, Flieger“, ertönte eine unwirsche Stimme. Maris drehte sich um. Es war der spöttische Val. „Hier“, sagte er auf seine normale Art und hielt ihr die Flügel, die er getragen hatte, entgegen. „Ich nehme an, du willst sie verwahren.“
Sie nahm ihm die Flügel ab und hielt unbeholfen in jeder Hand ein Flügelpaar. „Wohin gehst du?“
Val zuckte die Achseln. „Diese Insel ist recht groß. Es gibt ein oder zwei Städte, ein oder zwei Kneipen und ein Bett zum Schlafen. Ich verfüge über etwas Eisen.“
„Du könntest mit S’Rella und mir zur Hütte gehen“, sagte Maris zögernd.
„Tatsächlich?“ sagte Val vollkommen betonungslos. Er lächelte sie an. „Das wäre eine interessante Szene, noch dramatischer als mein heutiger Start, nehme ich an.“
Maris blickte finster drein. „Das habe ich nicht vergessen“, sagte sie. „S’Rella hätte etwas passieren können, denn durch deinen idiotischen Sprung war sie völlig verwirrt. Ich müßte …“
„Ich glaube, so etwas habe ich schon mal gehört“, sagte Val. „Entschuldige mich.“ Er drehte sich um und ging, die Hände tief in den Taschen vergraben, über den Strand.
Hinter sich hörte Maris S’Rella mit anderen jungen Leuten lachen, reden und die Freude des ersten Fluges teilen. Als Maris bei ihnen erschien, verstummte sie und rannte zu ihr, um ihre Hand zu drücken. „Wie war ich?“ fragte sie atemlos. „Wie bin ich geflogen?“
„Du weißt es selber, du willst nur mein Lob hören“, sagte Maris ein wenig spöttisch. „Nun gut, ich will es dir sagen. Du bist geflogen, als hättest du nie etwas anderes getan, als wärst du dazu geboren.“
„Ja, ich weiß“, sagte S’Rella schüchtern und lachte vor Freude. „Es war herrlich. Ich möchte immerzu fliegen!“
„Ich weiß, wie du dich fühlst“, sagte Maris, „aber eine Pause wird uns jetzt guttun. Laß uns hineingehen. Wir setzen uns ans Feuer und sehen, wer noch gekommen ist.“
Als sie sich zum Gehen umwandte, blieb S’Rella zurück. Maris sah sie fragenden, aber dann wußte sie, warum. S’Rella machte sich Gedanken darüber, wie man sie empfangen würde, denn trotz allem war sie eine Außenseiterin. Val hatte sie zweifellos durch seine Geschichten beeinflußt.
„Nun“, sagte Maris, „wenn du nicht das Gefühl hast, noch heute abend nach Hause zurückfliegen zu wollen, solltest du hineingehen. Einmal müssen sie dich ja kennenlernen.“
S’Rella nickte. Sie war immer noch ein wenig ängstlich. Dann gingen sie den
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