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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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zu spät bemerkt und wurde plötzlich von einem Fallwind erwischt. Ein kaltes Luftloch zog sie wie eine eisige Hand in die Tiefe. Val wich ihm aus und fand sofort eine unmögliche Thermik, die ihn hinauf und noch weiter voraus trieb, während Maris sich bemühte, ihren abrupten Höhenverlust auszugleichen und sich durch eine Schräglage aus dem Fallwind zu befreien. Er kreiste über der Festung und schätzte die Winde anhand des dünnen Rauches ein, der von den Kaminen der Akademie aufstieg. Noch bevor Maris sich wieder erholt hatte, flog er wieder hinaus, höher als je zuvor.
    Es scheint, als unterstütze der Wind heute abend Val, dachte Maris bei der Wende aufgebracht. Die Winde spielten mit ihr und vertrösteten sie. Unvorhersehbare Böen erfaßten sie jedesmal, wenn sie auf dem Wind zu reiten versuchte, aber Val ließen sie unbehelligt fliegen. Er schien die gefährlichen Brisen nicht wahrzunehmen, sondern fand immer beständige Strömungen, sichere und schnelle Winde, auf denen er dahinglitt.
    Zu diesem Zeitpunkt wußte Maris, daß sie das Rennen verloren hatte. Val flog hoch über ihr, und Höhe bedeutete Geschwindigkeit. Es würde zu lange dauern, bis sie dort hinaufkäme, selbst wenn sie die richtigen Aufwinde fände. Sie versuchte den Abstand zu verringern, aber der Kampf gegen die wilden Böen erschöpfte sie. Das Wissen, daß es bereits zu spät war, raubte ihren Bemühungen den Antrieb. Val verlor Zeit, weil er seine Höhe für die Landung verringern mußte, erreichte aber die Klippe zum zweitenmal mehr als eine volle Flügelspannweite vor ihr. Er hatte ganz klar gewonnen.
    Als sie im weichen Sand der Landebahn aufsetzten, war sie zu erschöpft, um zu lächeln, und zu deprimiert, um so zu tun, als mache ihr sein Sieg nichts aus. Stumm und hastig nahm sie ihre Hügel ab. Ihre klammen Finger fummelten nutzlos an den Streben herum. Ohne daß sie ein Wort gewechselt hatten, warf Maris schließlich ihre Hügel über die Schulter und wandte sich der verwitterten Festung zu.
    Val stellte sich ihr in den Weg..
    „Ich werde es niemand sagen“, sagte er.
    Sie warf den Kopf herum, als sie spürte, daß sie vor Verlegenheit errötete. „Es ist mir gleichgültig, was du sagst, worüber und zu wem!“
    „Oh?“ Sein schwaches Lächeln verhöhnte sie. Jetzt erst bemerkte sie, wie leer ihre Worte klangen. Offensichtlich war es ihr nicht gleichgültig.
    „Es war ein fairer Kampf“, sagte sie verbissen und bedauerte gleichzeitig ihre hilflose, kindische Klage.
    „Nein“, bestätigte Val so tonlos, daß Maris nicht entscheiden konnte, ob es ironisch gemeint war oder nicht. „Du bist den ganzen Tag geflogen, während ich ausgeruht war. Wenn wir beide frisch gewesen wären, hätte ich dich nicht schlagen können. Das wissen wir beide.“
    „Ich habe schon vorher verloren“, sagte Maris und versuchte ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. „Aber es macht mir nichts aus.“
    „Ich verstehe“, sagte Val»„Gut.“ Wieder lächelte er.
    Maris zuckte irritiert zusammen, die Flügel kratzten über ihren Rücken. „Ich bin sehr müde“, sagte sie. „Bitte entschuldige mich.“
    „Natürlich.“ Val trat beiseite, und sie schleppte sich an ihm vorbei, ging müde durch den Sand und begann die moosbedeckten Stufen hinaufzusteigen, die zum seewärtigen Eingang der Festung führten. Als sie oben angekommen war, drehte sie sich aus einem unerfindlichen Grund um, anstatt sofort hineinzugehen.
    Val war ihr nicht gefolgt. Er stand noch am Ufer, eine hagere, einsame Gestalt in der Dämmerung. Seine gefalteten Flügel hingen ihm über der Schulter. Er blickte über das Meer, wo ein einsamer Aasdrache unruhige Kreise gegen die Wolken des Sonnenuntergangs zog.
    Maris zitterte und ging hinein.
    Der jährliche Wettkampf war ein dreitägiges Fest. Früher hatte es nur aus Gelagen und Spielen bestanden, die ohne Einsatz, nur der Ehre wegen durchgeführt wurden. Damals war es kleiner gewesen und hatte traditionsgemäß auf Eyrie stattgefunden. Aber seit man vor sieben Jahren das System der Herausforderung ins Leben gerufen hatte und die Teilnehmerzahl drastisch gestiegen war, wurden die Wettkämpfe auf die Inseln verlagert.
    Die Landmänner rissen sich durch Erleichterungen und Arbeitseinsatz um die Austragung. Es war ein Festtag für die eigene Bevölkerung und zog eine Menge Besucher von anderen Inseln mit vielen guten Metallmünzen an. Für die Landgebundenen gab es nur wenige Ereignisse wie dieses. Für sie lag immer ein

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