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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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und selbst wenn es etwas gegeben hätte, so ist es jetzt zu spät. Es ist vorbei. Belaste dich niemals mit der Vergangenheit, hat Barrion einmal zu mir gesagt. Laß deinen Schmerz in ein Lied einfließen und teile ihn der Welt mit.“
    „Ich kann kein Lied schreiben“, sagte Maris. „Ich kann nicht fliegen. Ich wollte mich nützlich machen, aber als man mich brauchte, habe ich den Menschen den Rücken gekehrt und so getan, als sei ich eine Heilerin. Ich bin keine Heilerin und ich bin keine Fliegerin.“
    „Maris …“
    „So ist es“, sagte sie. „Maris von Klein Amberly, das Mädchen, das einst die Welt veränderte.
    Wenn es mir einmal gelungen ist, könnte ich es vielleicht ein zweites Mal schaffen. Wenigstens kann ich es versuchen.“ Sie stand unvermittelt auf.
    „Tya ist tot“, sagte Coll. Er nahm seine Gitarre und stellte sich vor seine Stiefschwester. „Die Versammlung hat sich aufgelöst. Es ist vorbei, Maris.“
    „Nein“, sagte sie. „Das kann ich nicht akzeptieren. Es ist nicht vorbei. Es ist noch nicht zu spät, um das Ende von Tyas Lied zu ändern.“
    Unter ihrer sanften Berührung wachte Evan schlagartig auf, setzte sich hin und war für jeglichen Notfall bereit.
    „Evan“, sagte Maris, die neben ihm saß. „Jetzt weiß ich, was ich tun muß. Du sollst es als erster erfahren.“
    Er strich sich mit der Hand über den Kopf und durchfuhr sein Haar mit den Fingern. „Was ist los?“
    „Ich … ich lebe, Evan. Ich kann nicht fliegen, aber ich bin doch dieselbe.“
    „Tut gut, das zu hören. Ich weiß, daß du es ernst meinst.“
    „Und ich bin keine Heilerin. Ich werde nie eine sein.“
    „Du hast etwas herausgefunden, nicht wahr? Während ich schlief? Ja … Ich hatte so eine Ahnung, aber ich konnte es dir nicht sagen. Du wolltest es nicht wahrhaben.“
    „Natürlich wollte ich das nicht. Ich dachte, ich hätte keine andere Wahl. Was sollte ich tun? Schmerz, Erinnerungen, Schmerz und Nutzlosigkeit. Nun, ich habe immer noch Schmerzen und die Erinnerung, aber ich muß nicht länger nutzlos sein. Ich muß lernen, mit den Schmerzen zu leben, ich kann sie akzeptieren oder ignorieren, weil es Dinge gibt, die ich tun muß. Tya ist tot und die Flieger sind am Ende, aber es gibt Dinge, die nur ich tun kann, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Deshalb …“ Sie biß sich auf die Lippe und konnte seinem Anblick nicht standhalten. „Ich liebe dich Evan, aber ich muß dich verlassen.“
    „Warte.“ Er streichelte ihre Wange. Sie sah ihm in die Augen. Dabei dachte sie daran, wie sie zum erstenmal in seine tiefblauen Augen gesehen hatte. Plötzlich fühlte sie sich stark. „Dann erkläre mir jetzt“, sagte er, „warum du mich verlassen mußt.“
    Sie machte eine hilflose Geste. „Weil ich … hier nutzlos bin. Ich gehöre nicht hierher.“
    Er keuchte – vielleicht war es ein Seufzer oder ein unterdrücktes Lachen, Maris wußte es nicht.
    „Denkst du, ich liebe dich als meine Gehilfin, als Heilerin Maris? Warst du mir eine große Hilfe? Als Heilerin hast du meine Geduld auf die Probe gestellt. Ich liebe dich als Frau. Ich liebe dich, so wie du bist. Nun weißt du, wer du bist, und wer du die ganze Zeit warst. Und deshalb mußt du mich verlassen?“
    „Ich muß etwas erledigen“, sagte sie.
    „Ich kenne mein Schicksal nicht. Vielleicht scheitere ich. Für dich könnte es gefährlich werden, wenn du mich begleitest. Du könntest Renis Schicksal teilen. Ich möchte dein Leben nicht aufs Spiel setzen.“
    „Du kannst mein Leben nicht aufs Spiel setzen“, sagte er ernst. „Das tue ich selbst.“ Er nahm ihre Hand und hielt sie fest. „Vielleicht kann ich dir helfen. Laß es mich versuchen. Ich möchte deine Sorgen teilen und sie für dich verringern. Weißt du, ich kann noch etwas mehr, als deinen Freunden Tee kochen.“
    „Aber das brauchst du nicht“, sagte Maris. „Du sollst dein Leben nicht für nichts riskieren. Das ist nicht dein Kampf.“
    „Nicht mein Kampf?“ Seine Stimme klang empört. „Ist Thayos nicht meine Heimat? Die Anweisungen des Landmannes von Thayos betreffen mich, meine Freunde und meine Patienten. In diesen Bergen und Wäldern fließt mein Blut. Du bist hier eine Fremde. Was du auch für deine Leute, die Flieger, ausrichtest, es wird auch meine Leute betreffen. Und ich kenne sie besser als du. Sie kennen mich und sie vertrauen mir. Viele von ihnen stehen in meiner Schuld, und das ist eine Schuld, die man nicht mit Eisenmünzen bezahlen kann. Sie werden mir

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