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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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könnte doch sein«, erklärte Mathilda ihre Sorge, »dass der Teufel die verbleibende Zeit vor meiner Profess benutzt, um meiner Seele habhaft zu werden. Viele fromme Menschen haben davon berichtet, dass sie gerade vor dem Eintritt ins Kloster Anfechtungen ausgesetzt waren.«
    »Du lebst schon so lange im Kloster, Mathilda«, sagte die Äbtissin noch immer ein wenig abwesend. »Auch wenn du die Profess noch nicht abgelegt hast, beweist du jeden Tag die Tugenden einer Ordensschwester. Warum sollte der Teufel ausgerechnet jetzt eine Schwäche wittern?«
    »Ich weiß nicht«, stammelte Mathilda, »ich weiß nur …«, sie biss sich auf die Lippen, zögerte kurz, »… ich hatte heute in der Nacht einen merkwürdigen Traum.«
    »Und wovon hast du geträumt? Häufig sind Träume Botschaften von Gott, denk an Joseph in Ägypten.«
    »Aber ich habe auch gelesen, dass der Teufel Träume nutzt, um die Seele des Menschen zu verwunden. Der Schlaf schwächt den Willen, seinen Verführungen zu trotzen. Ich will das nicht!« Heftig brach es aus Mathilda hervor: »Ich will nicht wissen, ob es jene Blumenwiese am Meer gibt! Ich will nicht wissen, welche Sprache ich im Traum gesprochen habe!«
    Falls ihre Worte die Äbtissin verwirrten, ließ jene es sich nicht anmerken. »Du willst, dass nach allem, was geschehen ist, das Leben wieder in gewohnten Bahnen verläuft, dass die Welt mit all ihren Schrecknissen von den Mauern ausgeschlossen wird, dass wieder Frieden einkehrt – im Kloster und in deinem Herzen, nicht wahr?«
    Die Miene der Äbtissin war verständnisvoll – jedoch auch ein wenig verächtlich.
    »Ich will einfach nur eine gute Nonne sein«, murmelte Mathilda. »Und eine solche legt ihr altes Leben ab wie ein abgetragenes Kleid. Vielleicht … vielleicht kommt der Traum nicht wieder, wenn Ihr mich züchtigt. Ja, lasst mich bei Birnensaft fasten! Verbietet mir, im Skriptorium zu arbeiten, und lasst mich stattdessen die Latrinen reinigen! Befehlt mir, auf dem Boden der Kapelle zu knien, bis ich die Knie nicht mehr spüre und …«
    Immer eifriger ging sie daran, mögliche Strafen aufzuzählen, bis die Äbtissin energisch ihre Hand hob.
    »Still nun!«, rief sie. »Du verdienst doch keine Strafe! In den letzten Tagen hast du mir so oft beigestanden. Besonders, nachdem man … ihn ins Kloster brachte …«
    Sie verstummte, und Mathilda folgte ihrem Blick, der hinaus auf den Hof schweifte. Man sah dem jungen Mann, der dort auf und ab ging, nicht länger an, wie schwer verletzt er gewesen war. Mathilda hatte zu jenen gehört, die ihn gepflegt und die alsbald geahnt hatten, dass das Leben der immer vorbildlichen Äbtissin mit dem des jungen Mannes irgendwie verknüpft war. Gemessen an der Vergangenheit der Äbtissin musste ihr wirrer Traum bedeutungslos sein. Kein Wunder, dass die Äbtissin sie nicht bestrafen wollte.
    »Wie lange wird er denn noch bleiben?«, fragte Mathilda.
    »Noch ist er nicht stark genug, um aufzubrechen …«, antwortete die Äbtissin.
    Oder sie war nicht stark genug, ihn gehen zu lassen.
    Die Äbtissin wandte sich ab.
    »Bring ihm etwas zu essen!«, befahl sie knapp.
    Mathilda runzelte die Stirn und wollte widersprechen. Sie war in ihrem Leben nicht vielen jungen Männern begegnet, und dieser eine hatte in den letzten Tagen ihre Welt derart durcheinandergebracht, dass sie gehofft hatte, ihn nach seiner Genesung meiden zu können. Was die Äbtissin nun verlangte, deuchte sie als Zumutung.
    Doch dann schluckte sie ihre Widerworte. Vielleicht war der Befehl der Äbtissin keine Zumutung, sondern die Strafe, die sie selbst eingefordert hatte. Und was diese Strafe noch härter machte als Fasten, stundenlanges Knien oder das Reinigen von Latrinen, war, dass sie sich einen verbotenen Augenblick lang gar nicht wie eine solche anfühlte.
    Mathilda ließ sich von der Schwester Cellerarin, die sich um die Vorratshaltung und die Essenszubereitung kümmerte, Brot und Käse geben, zögerte dann jedoch, den Hof zu betreten. Als sie sich endlich dazu durchrang, war Arvid nicht mehr dort. Sie hoffte schon, ihrer Pflicht entledigt zu sein, als sie ihn im Refektorium sah, jenem Raum gleich neben der Pforte, wo Gäste empfangen und bewirtet wurden. Er hockte gebückt und ließ seine Hand – so sah es zumindest aus der Ferne aus – auf merkwürdige Weise über dem Kopf kreisen. Hatte er Schmerzen? Seine Brust war doch verletzt gewesen, nicht sein Kopf.
    Erst als sie den Raum betrat, erkannte Mathilda, dass der junge Mann

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