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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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es in einem Bellen aus ihm heraus: »Ingeborg!«
    »Was?« rief die Frau. Sie zog die Knie vor ihre Brüste, umfaßte sie mit dem linken Arm und schlug mit der zitternden Rechten das Kreuz.
    Der Wer-Seehund streckte zögernd die Hand nach ihr aus. Auch er bebte. »Solange wir segeln«, stammelte er. »Nur solange wir segeln. Ich werde behutsam sein, das verspreche ich. Oh, ich bin so lange allein gewesen ...«
    Sie sah von ihm zu Tauno. Sein Gesicht war ausdruckslos. »Du hast zu viel für uns getan, als daß wir dich zwingen dürften«, erklärte er. Das Schweigen wuchs, während sie ihn anstarrte.
    Endlich rührte Hauau sich. Seine Schultern sanken herab. »Aye, häßlich bin ich«, brummte er. »Ich wäre auch ohne Belohnung geblieben, aber ich kann es nicht ertragen, dich zu sehen. Lebt wohl. Ich glaube, ihr schafft es auch ohne mich nach Hause. Lebt wohl für immer.« Er ging auf die Reling zu.
    Ingeborg sprang auf. »Nein, warte!« rief sie und rannte zu ihm. Er blieb mit offenem Mund stehen. Sie ergriff seine große Klauenhand mit ihren Händen. »Es tut mir leid«, sagte sie. Ihre Stimme schwankte, Tränen standen ihr in den Augen. »Ich war nur erschrocken, verstehst du? Natürlich werde ich ...«
    Er bellte ein wildes Lachen und drückte sie fest an sich. Sie schrie auf vor Schmerz. Er ließ sie los. »Verzeih mir«, bat er. »Ich hatte es vergessen. Ich werde behutsam sein, ganz bestimmt.«
    Niels trat vor, blaß um die Nase. »Nein, Ingeborg, tu es nicht«, stieß er hervor. »Wir haben der Sünden schon genug auf unsere Seelen geladen ... und du ...«
    Sie lachte auf. »Du weißt doch, was ich bin«, gab sie zurück. »Hieran ist nichts wirklich Neues – oder?«
    Eyjan stand auf, faßte Niels bei den Schultern, flüsterte etwas in die wirren blonden Locken, die seine Ohren verbargen. Er hielt den Atem an.
    Auch Tauno kam auf die Füße. Er und Hauau standen Auge in Auge. »Du
wirst
sie freundlich behandeln«, verlangte Tauno, die Hand auf dem Heft seines Messers.
     
    Die Nächte wurden länger und dunkler, als der Sommer fortschritt, aber diese eine war klar, voll von zahllosen Sternen, die für Feenaugen reichlich Licht spendeten. Die
Herning
segelte vor einem Wind, der den ganzen Kanal vor kleinen Wellen glitzern ließ. Das Wasser rauschte und gurgelte am Bug entlang. Hin und wieder klatschte ein Stück Segeltuch, ein Block klapperte, eine Planke knarrte – leise Geräusche, verloren in der Stille – bis Hauau im Bugabschnitt aufbrüllte.
    Später kam er mit Ingeborg an Deck, stand da und blickte aufs Meer hinaus. Tauno war am Ruder, Eyjan im Krähennest, aber keiner von beiden sah offen zu dem Paar hin. »Ich danke dir, Mädchen«, sagte der Selkie demütig.
    »Du hast dich bereits bedankt«, antwortete die Frau und nickte zu der Dunkelheit unter dem Vorderdeck hin.
    »Darf ich es denn nicht ein zweites Mal tun?«
    »Es ist nicht notwendig. Ein Handel ist ein Handel.«
    Er fuhr fort, aufs Wasser hinauszusehen. Seine Hände umklammerten die Reling. »Dann magst du mich überhaupt nicht?«
    »So habe ich es nicht gemeint«, protestierte sie. Zoll für Zoll schob sie ihre Hand weiter, bis sie auf seiner lag. »Du bist unser Retter, und, ja, du bist besser zu mir als viele, an die ich mich erinnere. Aber wir sind ... nun ... von verschiedener Art, ich sterblich und ... und du anders. Wie können wir uns jemals nahestehen?«
    »Ich habe bemerkt, daß deine Augen auf Tauno ruhen.«
    Hastig fragte Ingeborg: »Warum versuchst du es nicht bei Eyjan? Sie ist schön, während ich unscheinbar bin, sie gehört deiner Halbwelt an, und ich glaube, sie täte es gern – nicht, daß ich es bereue, Hauau, Lieber.«
    »Du wirst dich an den Geruch gewöhnen«, versprach er bitter. »Aber warum willst du
mich
haben?«
    Er blieb lange stumm. Schließlich wandte er sich ihr zu, die Fäuste geballt, und sagte: »Weil du eine wirkliche Frau und keine Angehörige des Feenreichs bist.«
    Sie hob die Augen zu ihm empor. Ihr Körper verlor seine Steifheit. »Mein Volks hat das deine erschlagen«, gestand sie wie bei einer Beichte.
    »Das ist Hunderte von Jahren her. Wir sind auf dem Land nahezu vergessen, und der alte Groll ist es mit uns. Ich lebe in Frieden, weit weg auf Sule Skerry – Wind, Wellen, Möwen sind die einzigen, die zu mir sprechen, Napfschnecken und Seepocken die einzigen Nachbarn – , in Frieden, ausgenommen tosende Stürme und Haie, während Winter auf Winter folgt – aber manchmal wird es eintönig,

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