Kinder des Wassermanns
glühten in dem trübgelben Licht. „Ich weiß. Mögen die lieben Heiligen mir helfen, mich zu erinnern, was du bist, damit ich dir keine Vorwürfe mache, sondern dir den Weg hinauf weise.“ Sie hatte drei Becher mit Met gefüllt und reichte ihm einen. „Verbanne fleischliche Gedanken, Tauno. Dies ist nicht Liri, wir sind nicht mehr, was wir einst waren; Gott sei gepriesen.“
„Auch hier gibt es ein paar liederliche Personen!“ entrüstete sich Biserka. Sie drückte sich gegen die Wand, bekreuzigte sich und setzte schnell hinzu: „Frag mich nicht nach ihren Namen.“
„Ganz gewiß wirst du keine unter uns finden, die wir Meerleute waren“, erklärte Jelena, vor Tauno stehend. „Wir sind eben erst neugeboren. Wie bete ich darum, daß wir die Seelen, frisch aus Gottes Hand erhalten, niemals beflecken werden!“ Sie hielt inne, sah an ihm vorbei und überlegte: „Aber wir werden es tun, fürchte ich. Uns unserer eigenen Tugend sicher zu sein, das wäre an sich eine Todsünde: Stolz. Aber möge uns immer die Gnade zuteil werden, daß wir bereuen, wenn wir fallen, und uns weiter bemühen.“ Ihr Blick wurde scharf und durchbohrte ihn. „Wenn irgendein Mann uns zwingen wollte, sollte er daran denken, daß wir immer noch mit scharfen Waffen umgehen können.“
„Dann erinnert ihr euch an euer früheres Leben?“ murmelte er.
Sie nickte. „Ja, auch wenn es uns seltsam und undeutlich vorkommt, wie ein Traum, der lang und lebhaft war, jetzt aber verblaßt.
Wir sind erwacht, siehst du. Dort vor dem Altar erwachten wir aus dem Halbleben der Tiere zum ewigen Leben.“ Plötzlich begann sie, die so stark wie Vanimen gewesen war, zu weinen. „Oh, dieser Augenblick, dieser einzigartige erste Augenblick mit Gott! Wie können wir anders … als ständig darauf zu hoffen … daß uns diese Seligkeit für immer im Himmel zuteil wird?“
Ein abnehmender Mond war über die östlichen Berge gestiegen, als Tauno den Wald betrat. Er hatte nicht viel Zeit gebraucht, denn er war den ganzen Weg über die bebauten Felder gerannt; Halme und Ähren hatten ihm aus Rache für das Zertrampeln Striemen zugefügt. Doch es war spät geworden, als er sich endlich von den Frauen losmachen, seines Vaters Mantel vor der Tür abwerfen und davonstürzen konnte.
Es war nicht etwa so, daß sie ihn verfluchten. Voller Freundlichkeit hatten sie ihm zugesetzt, er möge doch ebenfalls das Geschenk einer unsterblichen Seele annehmen. Sie hatten sich auch nicht ganz und gar verändert, doch die einmal so köstlichen Körper beherbergten jetzt eine Fremdheit, die größer war als jene, die ihn vom Stamm Adams trennte. Es lag daran, daß sie – so dachte er irgendwo in seinem verwirrten Verstand –, daß sie zu Trägerinnen des Verhängnisses geworden waren. In ihnen lag die Zukunft, die keinen Platz für das Feenreich mehr enthielt. Er jagte nicht nur dahin, um die Verzweiflung abzuarbeiten, in der seine Suche geendet hatte. Er floh vor dem Unsichtbaren, während die Sterne herabblickten und zischten: „Da ist er, da läuft er, da ist seine Spur, der wir folgen werden.“
Sein Atem ging schwer, als er einen Unterschlupf fand. Das war unter einer Eiche, denn sie verbreitete Dunkelheit und trug Misteln in ihren Zweigen. Endlich schritt er hinaus in die Wildnis, auf den See zu, den er in der Ferne wahrnahm. Er wollte in seinen Wassern baden, wollte seine Lungen mit ihrer Sauberkeit füllen, vielleicht einen Fisch fangen und roh verzehren wie ein Seehund oder Mörderwal. Dadurch würde er neue Kraft gewinnen, so daß er zu der Burg und allem, was dort geschehen mochte, zurückkehren konnte.
Auf beiden Seiten des Wildpfades, dem er folgte, warfen Bäume Schatten, hielt Unterholz tiefere Finsternis umfangen. Mondlicht drang in Streifen durch die Kronen und schimmerte auf Dämpfe, die dicht über dem Boden strömten und wirbelten. Hier war es einen Hauch wärmer als draußen auf freiem Feld, feucht, nach schlafenden Pflanzen duftend. Es raschelte schwach, ein Luftzug, eine geisterhafte Eule, das Trippeln winziger Füße. Einmal schrie weit weg eine Wildkatze, und der Laut verschmolz mit der Musik, die die vielen Blätter ringsum erzeugten.
Ein gewisser Friede senkte sich auf Tauno herab. Hier war ein Überbleibsel seiner Welt, der wilden Welt, die völlig in sich abgeschlossen war, liebte, tötete, zeugte, litt, starb, geboren wurde, die phantastische Zauber kannte, aber niemals versuchen würde, die Mysterien dahinter zu erforschen und zu
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