Kinder des Wassermanns
verbarg, untergegangen. Das Licht berührte immer noch die Flügel der Schwalben und der Fledermäuse, die unter einem violetten Himmel hin und her flitzten. Dünne Nebel webten über den Feldern. Näher schimmerten die sich vereinigenden Flüsse, weiter nord- und ostwärts die Gipfel der Svilaja. Es war draußen sehr still geworden.
Die Dämmerung machte Iwans Narbengesicht weicher, aber es lag Eisen in seiner Stimme, als er, steif auf seiner Bank sitzend, den Austausch von Höflichkeiten mit den Worten beendete: „Ich habe nach Tomislav geschickt, Gospodar Carolus, weil er mehr als alle anderen über die Meerleute weiß – vielleicht mehr als sie selbst –, und wie ich den mir überbrachten Berichten entnahm, habt Ihr über sie Nachforschungen angestellt.“
„Das war freundlich von Euch, Herr“, erwiderte Tauno voller Unbehagen. Er netzte seine Lippen mit einem Schluck Wein. „Ihr hättet Euch weder soviel Mühe machen noch mich so genau beobachten lassen müssen, aber jedenfalls danke ich Euch.“
„Nichts ist zuviel Mühe für einen Edelmann aus dem Ausland, der Verbindungen mit uns anknüpfen möchte. Doch vielleicht ist es Euch gefällig, Gospodar, mir zu erzählen – denn es scheint doch mit dem Zweck Eures Besuchs gar nichts zu tun zu haben –, warum Ihr Euch für das Seevolk so interessiert?“ Wie ein Peitschenknallen: „Ich kann mir nicht vorstellen, aus welchem anderen Grund Ihr zu diesem abgelegenen Ort gekommen seid.“
Taunos freie Hand fand Trost am Heft seines Messers. „Nun, wir haben in unseren nördlichen Gewässern eine Rasse der gleichen Art.“
„Pah!“ entfuhr es Tomislav. „Hört mit dem Unsinn auf, alle beide! Iwan, was Ihr tut, ist abscheulich. Wenn Ihr diesen Mann als venetia-nischen Spion verdächtigt, sagt es gerade heraus wie ein ehrlicher Mensch.“
„O nein, o nein“, protestierte der Zhupan hastig. „Wir haben jedoch einen neuen Krieg, und in den letzten beiden Jahren hat sich soviel Unheimliches ereignet … Es ist meine Pflicht, vorsichtig zu sein, Gospodar Carolus. Und um Euch die Wahrheit zu gestehen, Ihr müßtet Eure hrvatskanischen Verwandten besser kennen, als Ihr behauptet, wenn man bedenkt, wie vollkommen Ihr die Sprache beherrscht.“
„Macht ihn das zum Feind?“ schnaubte der Priester. „Hört, die Meerleute haben nichts Böses getan, und dazu leisten sie uns noch unschätzbare Dienste. Und bestimmt lächelt Gott auf unser Land, weil so viele reine christliche Seelen zu ihm gekommen sind.“ Seine Stimme veränderte sich, sie sank beinahe zum Flüstern herab, und es klang ein Schluchzen in ihr mit. Tauno sah, daß ihm Tränen in die Augen traten. Doch Freude stieg aus dem Herzen des Priesters auf: „Wenn Ihr ein Zeichen haben wollt, Iwan, bedenkt, daß die Vilja verschwunden ist. In diesem Frühling ist sie nicht aus dem Wasser gestiegen, um in den Wäldern zu spuken. Niemand hat eine Spur von ihr gefunden. Wenn … wenn sie wirklich der Geist … einer Selbstmörderin war … verurteilt umzugehen … dann muß Gott ihr verziehen und sie ins Paradies heim geholt haben – und aus welchem anderen Grund wohl, als daß Er erfreut über die Rettung des Seevolks war?“
Tauno fühlte sein Herz wie einen Stein in der Brust, als er langsam fragte: „Dann ist es wahr, was die Leute hier glauben? Sie sind getauft worden und haben alle Erinnerungen an das, was sie waren, verloren?“
„Ganz so ist es nicht“, antwortete Tomislav. „Durch einzigartige Gnade ist ihnen ihr früheres Leben geblieben und so auch die Kenntnisse und Fähigkeiten, mit denen sie unseren armen Landsleuten helfen können. Es ist eine lange, aber eine wundervolle Geschichte.“
„Ich … würde sie gern hören.“
Die Menschen betrachteten Tauno ein Weile stumm, und währenddessen nahm die Dunkelheit zu. Iwans Blick verlor an Mißtrauen, To-mislavs gewann noch an Freundlichkeit.
Endlich meinte der Zhupan : „Nun, ich sehe keinen Grund, warum Ihr sie nicht hören solltet. Wie ich annehme, habt Ihr Euch das meiste davon schon selbst zusammengereimt. Auch glaube ich, daß Ihr uns die wirklichen Gründe für Euer Hiersein verschwiegen habt, aber ich hoffe sehr, daß sie harmlos sind.“
„Sie sind noch besser als nur harmlos“, fügte Tomislav hinzu. „Andrei – der früher Vanimen war – erzählte mir von seinen Kindern, die er zurücklassen mußte … Ihr braucht nicht mehr zu sagen, Caro-lus, bis Ihr selbst die Überzeugung gewonnen habt, daß Ihr uns vertrauen
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