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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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schüttelte den Kopf. „Du bist eine Fremde. Aye, wir, die wir einen Mutterleib geteilt haben, teilen auch Erinnerungen. Doch Dagmar ist keine Meerfrau; sie ist eine Heilige.“
    „Nein, das darfst du nicht glauben. Dieser Tag heiligt mich wie ein Kind, das durch die Taufe in die christliche Herde aufgenommen wird … aber ich werde immer wieder straucheln … wenn ich auch hoffe, daß ich dann bereuen und Verzeihung erlangen werde.“
    „Da hat nicht Eyjan gesprochen“, stellte er trocken fest.
    Sie ließ den Kopf hängen. „Dann weist du die Erlösung von dir?“ Er lehnte sich auf seinen Speer. „Wenigstens kannst du mich nicht daran hindern, für dich zu beten, Tauno.“
    Er verzog das Gesicht. „Ich habe nicht den Wunsch, dir Schmerz zu bereiten.“
    „Ich wäre so froh, wolltest du mit mir nach Hause kommen.“
    „Nein. Ich habe hier ein bestimmtes Versprechen zu erfüllen. Aber warum wartest du nicht bis zum Frühling? Jetzt könnte es eine stürmische Fahrt werden.“
    „Wir stehen in Gottes Hand. Ich muß zu meinem rechtmäßigen Mann, damit er nicht in seinen Sünden stirbt.“
    Tauno nickte. „Du bist wahrhaft Dagmar. Nun, grüße sie beide von mir, und möge das Glück mit euch allen schwimmen.“
    Er drehte sich um und ging in den Wald. Sobald er außer Sicht war, rannte er wie gehetzt los.
     
    Nada war nicht auf der Lichtung, wo sie und Tauno sich für gewöhnlich trafen, und auch nirgendwo in der Nähe. Er strengte seine Sinne an, die von Feenart waren, fand jedoch nur die denkbar schwächste Spur. Oft war sie unterbrochen, und er mußte in weitem Umkreis suchen, bis er sie wieder aufnehmen konnte. An dem dauernden Hin und Her und anderen Merkmalen erkannte er, daß sie wie verrückt umhergetobt sein mußte, und das machte ihm Angst.
    Er brauchte zwei Tage und Nächte, bis er sie entdeckte. Das geschah am Abend des Äquinoktiums. Bis dahin war er außer sich und taumelte vor Müdigkeit.
    Die Kälte hatte zugenommen und fraß sich durch die windstille Luft. Der Himmel war niedrig und eintönig grau. Sie stand am Ufer des Sees, der sich stählern vor einem braun und gelb gewordenen Wald erstreckte. Nur hier und da war ein blutfarbener Ahorn oder ein dunkles Immergrün zu sehen, viele Äste waren schon ganz kahl. Sie stand da – winzig, verloren, ein bleicher Hauch.
    „Nada, oh, Nada“, rief er und stolperte auf sie zu. Seine Stimme war heiser vom vielen Rufen während seiner Suche.
    „Tauno, Geliebter!“ Sie eilte in seine Arme. Er legte sie mit äußerster Vorsicht um ihre Zartheit. Sie fühlte sich beinahe so gefroren an wie der Tag und zitterte an seiner Brust. Ihre Tränen vermischten sich, als sie sich küßten.
    „Wo bist du gewesen?“ fragte er. „Was ist los?“
    „Ich hatte Angst …“ hauchte sie.
    Er fuhr zusammen. „Wovor?“
    „Daß du nicht zurückkommen würdest …“
    „Liebling, du wußtest doch, ich würde zurückkommen …“
    „… bevor ich untergehen muß.“
    „Untergehen?“
    „Ich hätte mich nicht fürchten sollen. Es tut mir leid. Ich hätte dir vertrauen sollen. Aber ich konnte nicht besonders gut denken, es war so trostlos.“ Sie drückte sich noch enger an ihn. „Du bist hier.“
    Erschreckt fragte er in ihre Distelflaumlocken: „Was hast du gemeint? Was mußt du tun?“
    „Untergehen. Im See oder einem Fluß. Wußtest du das nicht?“ Sie strebte von ihm fort, ganz sacht, aber doch deutlich genug, daß er es merkte. Er gab sie frei, und sie trat einen Schritt zurück, um ihn anzusehen. Was in ihren großen Augen an Blau gelegen hatte, war fast verblaßt.
    „Im Winter ist die Sonne auf dem Wasser nicht zu hell für mich“, berichtete sie ihm, „aber der kahle Wald bietet mir keinen Schutz mehr vor ihr. In den Tiefen finde ich Schatten. Sicher hast du davon gehört.“
    „Ja …“ Er blickte nach Osten. Der Speer, den er fallen gelassen hatte, lag zwischen ihnen. „Ja, aber …“
    „In früheren Jahren konnte ich länger wachbleiben. Dieser Herbst geht sofort in den Winter über.“ Ein totes Blatt trieb von seinem Zweig vor ihre Füße.
    „Wann mußt du gehen?“
    Sie schlang die Arme um ihre Schultern vor Kälte. „Bald. Heute. Wirst du im Frühling hier sein, Tauno?“
    Er löste seinen Gürtel. „Ich werde bei dir bleiben.“
    Sie schüttelte den Kopf. Jetzt, da er zitterte und stammelte, hatte sie eine seltsame Klarheit gewonnen (und sah sie nicht durchscheinender als je aus, wie ein Nebelgeist?). „Nein, Liebster. Ich werde

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