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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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von etwas Neuem verwundet worden“, sagte sie. „Kann ich dir helfen? Wie wünsche ich, daß ich es kann.“
    Überrascht, wie er war, denn sie hatte noch nie soviel Beobachtungsgabe gezeigt, ließ er sich die Worte entschlüpfen: „Vielleicht muß ich bald abreisen. Meine Schwester, von der ich dir erzählt habe, ist der Ansicht, wir sollten es, und ich fürchte, sie hat recht.“ Tief aus der Kehle: „Soweit sie die Dinge überschauen kann.“
    Nada wich vor ihm zurück, eine Hand auf den offenen Mund gelegt, um einen Aufschrei zu ersticken, die andere abwehrend von sich gestreckt. „Nein, nein, nein! Tauno, warum? Bitte, nein!“
    Sie brach zusammen und weinte. Bis zu dieser Nacht hatte er sie nie weinen sehen.
    Er kniete nieder und nahm sie in seine Arme. Die schlanke Gestalt schmiegte sich an ihn, er streichelte das offene Jungfrauenhaar, er schwor, er habe unüberlegt gesprochen, und nie, aus keinem Grund, werde er sich je von ihr trennen. Dabei wußte er die ganze Zeit, daß er ebenso wahnsinnig war wie sie damals, als sie ihr körperliches Leben beendete.

 
8
     
    Am Festtag des Apostels Matthäus wurde die Tochter Andreis und Agnetes von Vater Tomislav in seiner Kirche getauft. Der Name, den sie sich erwählt hatte, war Dragomir. In Dänemark war daraus Dagmar geworden, was bedeutet: Tagmädchen.
    Groß stand sie vor dem Altar, in Weiß gekleidet wie zu ihrer Hochzeit, die rötlichen Locken eingeflochten und bedeckt, wie es sich für eine Frau im Haus Gottes schickt. Neben ihr standen ihr Vater, für diesen Augenblick noch einmal aus dem Krieg zurückgekehrt, seine Frau Jelena, Iwan Subitsch und seine Frau. Das dunkle kleine Gebäude war voll von Bewohnern der Zadruga und den Verwandten aus Liri, so viele sich nur hineindrängen konnten. Ganz vorn stand Luka mit einem Ausdruck hoffnungsloser Sehnsucht. Hinten stand Tauno. Einige hatten gesagt, es sei nicht richtig, ihn hereinzulassen, aber der Priester hatte erwidert, er sei ihr Bruder, und bei diesem Ritus könne viel Unvorhergesehenes geschehen. Vielleicht – wer konnte es wissen? – löste der Anblick durch plötzliche Gnade das Siegel in seiner Brust. Tauno hatte die Arme verschränkt. Sein Gesicht war ausdruckslos.
    Kostbar war der Weihrauch, der die Luft erfüllte, ein Geschenk des Zhupans. Glühend war das Gebet, das Tomislav eigens für diesen Anlaß sprach, und leuchtend sein Gesicht, als er zum Niederknien aufforderte, das Wasser nahm und auf Eyjans Stirn das Kreuz zeichnete. „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“
    Dagmar keuchte und wäre beinahe gefallen. Andrei legte die Arme um sie und hielt sie aufrecht. Den Blick zum Himmel gerichtet, flüsterte er: „Agnete, freue dich.“
    Dann war es schnell vorbei. Dagmar vergoß Tränen, aber nur, weil sie keine andere Möglichkeit hatte, ihre Seligkeit zu äußern. Das Schluchzen verstummte, als sie sich erhob, und nachdem sie alle umarmt hatte, schritt sie in aufrechter Haltung hinaus.
    Das Wetter war für die Jahreszeit zu kalt geworden. Der Wind trieb Wolken über einen bleichen Himmel und seufzte in Blättern, die schnell die Farbe wechselten. Schatten kamen und gingen. Leute, die an der Tür gewartet hatten, drängten sich herbei, um Dagmar zu segnen und in der Christenheit willkommen zu heißen. Sie hatten ein bescheidenes Festmahl vorbereitet. Am Morgen mußten die Besucher abreisen – sie zum Hafen, wo die Brynhild zum Segeln bereit war.
    Tauno, der den, der sein Vater gewesen war, kaum gegrüßt hatte und in der Kirche nicht niedergekniet war, stand abseits unter einer Kiefer. Es dauerte einige Zeit, bis Dagmar sich von den Menschen, die ihr Glück wünschten, freimachen und zu ihm treten konnte. Niemand folgte ihr, denn er stand da wie ein böses Vorzeichen, in grober Kleidung und mit einem Speer bewaffnet.
    Sie blieb vor ihm stehen und hielt ihm ihre Hände entgegen. Er rührte sich nicht. Ihr Schleier und ihr Gewand flatterten wild und drückten den Stoff gegen Hüften und Busen. Trotzdem war sie jungfräulich. Vielleicht lag es an einer inneren Feierlichkeit, die kein Wesen aus dem Feenreich je kennenlernen würde.
    Da er weiterhin schwieg, holte sie Atem und sagte: „Ich danke dir, daß du gekommen bist. Ich wünschte, ich wüßte, was ich sonst noch sagen könnte.“
    „Ich mußte meiner Schwester doch Lebewohl sagen“, antwortete er. „Sie war mir teuer.“
    Ihre Lippen zitterten. „Aber ich bin deine Schwester!“
    Er

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