Kinder des Wassermanns
gar anders als Eyjan. Vielleicht war er zu ihr geflohen, ohne es selbst zu wissen. Aber andere Frauen hätten ihm ebenfalls Zuflucht geboten, und sie konnten seinen Lenden Ruhe geben, und ihre Freundschaft würde dauern. Statt dessen tollte er mit einem Geist umher. Ingeborg …
Tauno und Nada hielten sich umschlungen. Ihr Kopf ruhte an seiner Brust; er konnte ihr Haar kaum fühlen. Die von Schmerz durchzogene Freude, die er bei ihr fand, gab ihm seine Ruhe zurück. Natürlich konnte es nicht immer so weitergehen, aber über die Zukunft wollte er sich keine Gedanken machen. Vorausplanung war kein Teil seines Feenerbes, und seine menschliche Hälfte verleugnete er. Mit Nada hatte er Schönheit, Frohsinn, gemeinsames ehrfürchtiges Schweigen unter den Sternen, und er verlor sich selbst, er fand beinahe zum Frieden mit allem, was auf dieser Seite des Himmels war.
„Du bist müde“, sagte sie schließlich. „Leg dich hin. Schlafe ein bißchen. Ich singe dir ein Wiegenlied.“
Er gehorchte. Die einfache Melodie, die ihr ihre Mutter wahrscheinlich nie vorgesungen hatte, rann über ihn hin wie ein Bach und trug alle Sorgen mit sich fort.
Er war zufrieden. Sollten Fleisch und Blut bis auf später warten. Die Vilja würde ihn niemals verraten.
Der Sommer ging in den Herbst über. Zuerst waren die Felder voll von Bauern, die sich über ihre Sicheln beugten oder nachfolgten, um zu rechen, zu binden, aufzustellen, wegzufahren und nachzulesen. Sie werkten von vor Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang, damit kein Unwetter sie beraube, und fielen todmüde in Schlaf. Es wurde noch schwerer gearbeitet als sonst, denn alle Zeichen deuteten auf einen frühen und harten Winter hin. Als die Ernte endlich eingefahren war, feierten alle ein titanisches Fest. In der Zwischenzeit sahen die Sterne jede Nacht weiter entfernt aus, und die Luft wurde schnell kalt.
In einer dieser dunklen Nächte wanderten Tauno und Eyjan am Flußufer entlang. Sie hatte darauf bestanden, sie müßten sich aussprechen. Er hatte mürrisch nachgegeben, aber gesagt, zwischen Wänden fühle er sich gefangen.
Ein Leuchten über den östlichen Berggipfeln kündigte den Mondaufgang an. Bald würde es der Vollmond sein, der den Herbstanfang bedeutete. Der Große Wagen stand niedrig am Himmel von Dalmatien und sah riesengroß aus; höher blinkte der Polarstern, um dem Volk aus dem Norden den Heimweg zu zeigen. Frösche und Grillen waren verstummt. Nur das Murmeln des Flusses war zu hören. Verfrühter Rauhreif lag auf dem vertrockneten Gras. Tauno fühlte es unter den Füßen, denn er hatte seine Kleider abgeworfen, sobald sie außer Sicht von Skradin waren. Eyjan hatte es nicht getan. Der Kapuzenmantel und das wallende Gewand taten ihr Bestes, ihre Gestalt zu verbergen.
Nach einer oder zwei Meilen ergriff sie das Wort. „Kapitän Asbern suchte mich auf, als ich in Schibenik war. Er warnte mich, daß die Brynhild, wenn sie nicht bald ausläuft, bis zum Frühling im Hafen liegen müsse. Schon jetzt würden nur wenige Schiffsherren zu einer so langen Reise aufbrechen.“
„Ja, das wußten wir“, erwiderte er.
„Aber hast du wenigstens einmal darüber nachgedacht?“ Eyjan schwieg eine Weile, und nichts war zu hören außer ihren Schritten. Dann fuhr sie fort: „Ich habe in letzter Zeit eine Menge über das Leben der Menschen gelernt, während du dich nicht zu derlei herabgelassen hast. Für Niels würde es einen hohen Verlust bedeuten, wenn ein Schiff und eine Mannschaft ein ganzes Jahr oder länger fort wären. Und dieser elende Krieg … Vater zurück zu der Belagerung von Zadar, wo er getötet werden kann, ohne dich überhaupt gesehen zu haben … Außerdem ist mir gesagt worden, unsere Dokumente gäben uns keinen zuverlässigen Schutz vor den Venetianern. Einer ihrer Kaperkapitäne könnte zu dem Schluß kommen, der König von Dänemark und seine Bischöfe seien zu weit weg, um eine Bedrohung zu sein. Je später wir segeln, desto schlechter sind unsere Aussichten.“
„Dann lassen wir doch das Schiff fahren“, meinte er. „Was haben wir denn in Dänemark verloren?“
Das beunruhigte sie. „Und was haben wir hier verloren?“ Sie griff nach seiner Hand. Sie blieben mitten im Schritt stehen. „Tauno, was ist es, das dich im wilden Wald festhält?“
Er beantwortete die erste Frage. „Nun, es ist wahr, wir haben unsere Verwandten gefunden, und sie haben sich als eine beliebige Gruppe von Sterblichen erwiesen. Du mußt die Rolle der Frau
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