Kinder des Wassermanns
Skagen zu umrunden und den Ozean zu gewinnen. Über seinem Mast flog, auf den Schwingen das Licht der noch verborgenen Sonne, ein Zug wilder Schwäne dahin.
Epilog
Im Mai des Jahres Unseres Herrn 1312 starb Pawel Subitsch der Königsmacher. Sein Sohn Mladen folgte ihm als Ban und versuchte, die Rückeroberung von Zadar abzuschließen. Doch er hatte keinen Erfolg und mußte die Belagerung aufheben. Ebenso versagtge er im Niederhalten der Fehden zwischen den hrvatskanischen Clans. Wieder zogen die Katschitschi als Piraten an der dalmatinischen Küste entlang, wieder versuchten die Nelipitschi und ihre Verbündeten, die Macht der Subitschi und Frankapani zu brechen. 1322 kam es zum Bürgerkrieg. Venedig schloß ein Abkommen mit den Nelipitschi und nahm Schibe-nik und Trogir sofort, Split und Nin bald darauf ein. Dunkel waren jene Jahrzehnte.
Doch Vater Tomislav, mit weiß gewordenem Bart und Händen, die die Gicht unbrauchbar gemacht hatte, konnte vor eine Versammlung treten, die den verwitweten, besiegten, ergrauenden Kapitän Andrei einschloß und predigen:
„Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren sind, sondern das ewige Leben haben.
Des Heilands Worte, als Nikodemus, der Pharisäer, ihn befragte. Warum wohl hat Er sich die Mühe gemacht zu argumentieren? Es wäre doch leichter gewesen, einfach zu sagen: ‚Ihr wißt, welche Wunder ich bereits getan habe. Hört auf, mich zu belästigen. Fallt nieder und betet mich an, bevor ich euch mit einem Blitz niederschmettere.’ Aber Er tat Sein Bestes, um das Mysterium zu erklären, weil Er wollte, daß die Menschen aus freien Stücken zu Ihm kamen, nicht aus Angst vor Ihm, sondern weil sie den Weg nach Hause zu ihrem Vater suchten.
Gott liebt uns. Vergeßt das nie. Ich glaube, er schickt uns weniger Prüfungen, als wir durch unsere Dummheit selbst über uns bringen. Sei dem, wie es mag, haltet fest an dem Wissen, daß Er sich um euch kümmert. Ganz gleich, was geschieht, wir sind nicht verlassen. Niemand ist verlassen. Jesus hatte Umgang mit Zöllnern, Sündern und Heiden. Heutzutage haben wir Schismatiker, Häretiker, Juden, Türken, Heiden, Venetianer – und Er liebt sie alle ebenso, wie Er euch liebt. Wir irrenden Menschen finden oft keinen anderen Ausweg als den Kampf; aber müssen wir hassen?“
Ein Sonnenstrahl fiel durch eines der schmalen, unverglasten Fenster, und der alte Priester mußte sich die Augen wischen.
„Also hat Gott die Welt geliebt … Ich fasse das so auf, daß damit gemeint ist: Alles, was Er je geschaffen hat, und es gibt nichts, was Er nicht geschaffen hat. Wenn ihr Trost braucht, denkt daran. Denkt daran, wie sogar der Staub unter euren Füßen geliebt wird. Wir haben erlebt, daß Er Meerleuten Seelen gab; Er … Er vergab einem armen kleinen Schatten und hob sie zum Himmel empor. Laßt uns daraus Mut schöpfen.
Ich denke, daß Er nichts umsonst erschafft. Daß Satan selbst, wenn ihm Harmageddon und alles, was darauf folgt, zeigt, daß er den falschen Weg gewählt hatte, bereuen mag und daß ihm vergeben wird. Daß am Jüngsten Tag nicht nur unsere Toten auferstehen werden, sondern alles, was je war, je lebte, zum Ruhm Gottes.“
Vater Tomislav schwieg eine Weile, bevor er sagte: „Nun nehmt nicht an, daß dies unbedingt wahr sein muß. Ich bin der göttlichen Liebe gewiß, aber bei allem übrigen, was ich eben sagte, habe ich nur meine Gedanken schweifen lassen. Es ist nicht im Kanon enthalten. Es könnte Häresie sein.“
Anmerkung des Autors
Nur Schottland und Rußland haben aus dem Mittelalter ein so reiches Erbe an Volkssagen wie Dänemark. Anderswo ist das meiste verlorengegangen. Es ist ein Jammer, daß so wenige Leute außerhalb dieses Landes Dänisch lesen können. Zweifellos bewundern Sie ebenso wie ich „Die Schlacht von Otterbourne“, aber der gleiche Stahl ist in „Marsk Stig“. Saftigen Humor finden wir sowohl in „Steh auf und schließ die Tür“ als auch in „Lave und Jon“, Grausamkeit und Düsternis in „Die Twa Corbies“ und „Valdemar und Tove“, Tod und Gericht in „Gesang bei der Totenwache“ und „Königin Dagmars Tod“, Liebe, die über den Tod hinausgeht, in „Schreiber Saunders“ und „Aage und Else“ (letzteres ebenfalls das Motiv von „Das Grab ohne Ruhe“ enthaltend). In „Tarn Lin“ und „Germand Gladensvend“ können wir einen furchterregenden Blick auf das Übernatürliche werfen,
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