Kinder erziehen - die 101 wichtigsten Fragen und Antworten
sich vor allem die Großeltern oder andere Verwandte um die Kinder kümmerten, wenn die Eltern arbeiteten oder krank waren.
Es kann eine große Entlastung sein, sich bewusst zu machen, dass Mutter und Vater zumindest zeitweise zu ersetzen sind. Und nicht nur das. Kinder profitieren davon, wenn sie hin und wieder von anderen freundlichen und zuverlässigen Menschen betreut werden. Viele machen in dieser Zeit einen wichtigen Schritt nach vorn, werden selbständiger und selbstbewusster, auch weil sie erfahren, dass sie eine vorübergehende Trennung von den Eltern verkraften.
Mythos Nr. 7: Eltern wissen immer, was ihr Kind braucht. Eltern (auch Väter!) sind glücklicherweise mit einem natürlichen Grundprogramm ausgestattet, das dafür sorgt, dass die Verständigung klappt, zumindest in der Zeit, in der sich ein Baby noch nicht verbal mitteilen kann. Jedenfalls meistens. Trotzdem kommt der Tag, an dem Eltern feststellen, dass sie keine Ahnung haben, was ihr Kind, das sich gerade in einem Wutanfall über den Teppich rollt, eigentlich will. Oft weiß das Kind ja nicht einmal selbst, was ihm fehlt.
Auch beim besten Willen können Eltern nicht immer wissen, was in ihrem Kind vorgeht. Kinder sind keine Miniaturerwachsenen. Sie leben in einer völlig anderen Vorstellungs- und Fantasiewelt, die Erwachsenen nicht in allen Teilen zugänglich ist. Eltern können nicht Gedanken lesen, und das müssen sieauch nicht. Vielmehr müssen Kinder lernen, auszudrücken, was ihnen auf der Seele liegt, eines Tages vielleicht sogar ohne Wutanfall oder Tränen.
Eltern müssen die Bedürfnisse ihres Kindes weder erahnen noch umgehend erfüllen. Die «verzögerte Bedürfnisbefriedigung» ist eine der wichtigsten Erfahrungen, die Kinder machen sollen, sagen Verhaltensforscher. Viele Untersuchungen zeigen, dass Kinder, die warten und sich beherrschen können, emotional stabiler und auch erfolgreicher sind als Kinder, denen jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird.
Mythos Nr. 8: Eltern lösen alle Probleme und zeigen keine Fehler und Schwächen. Kleinkinder fantasieren sich die Eltern überlebensgroß und allmächtig, weil sie es so brauchen. Wenn Kinder älter werden, erkennen sie allmählich, dass auch Eltern Schwächen und Fehler haben. Dieser Prozess kann schmerzhaft sein und dauert oft bis ins Erwachsenenleben. Es ist ein Zeichen großer Reife, wenn es eines Tages gelingt, die Eltern als fehlerhafte und unvollkommene Wesen zu akzeptieren und zu lieben. Wenn Eltern oder Kinder dagegen weiterhin Anspruch auf Vollkommenheit erheben, führt das zwangsläufig zu Enttäuschungen. Daher empfiehlt es sich für beide Seiten, Platz für neue Sichtweisen und Verständigungen zu schaffen. Soll das Kind ruhig ein bisschen tüfteln, bis es selbst die richtige Lösung für sein Problem gefunden hat. Eines Tages muss es Schwierigkeiten ohne Hilfe aus dem Weg räumen. Wie soll das gehen, wenn Eltern dauernd wie rettende Engel unter die Arme greifen? Und wie soll ein Kind sich selbst mit seinen weniger vollkommenen Seiten akzeptieren, wenn Eltern immer so tun, als wären sie perfekt?
Mythos Nr. 9: Eltern müssen ihr Kind immer verstehen. Damit ein Kind wachsen und gedeihen kann, braucht es verständnisvolle Eltern, die seine Beweggründe erkennen, angemessen reagieren und ihm das Gefühl geben: «So, wie ich bin, bin ich richtig. Ich darf sogar etwas falsch machen, ohne dass mir die Zuwendung und Unterstützung verlorengeht.»
Vor allem Babys sind auf das wortlose, instinktive Verständnis existentiell angewiesen. Sobald Kinder aber älter werden,muss und kann man beim besten Willen nicht alles, was sie umtreibt, verstehen und schon gar nicht damit einverstanden sein. Kinder sind eigenständige Wesen, die oft recht eigenwillige Vorstellungen davon haben, was richtig und was falsch ist. Wenn ein Fünfjähriger seine Eltern mit Füßen tritt, weil sie ihm kein Eis kaufen, muss man das nicht verstehen. Auch nicht, wenn es müde ist. Verständnis ist eine wunderbare Sache, aber Kinder, die Regeln verletzen, die sich in Gefahr bringen oder Werte missachten, die für ein friedliches und freundliches Miteinander unabdingbar sind, brauchen klare Grenzen, die Gelegenheit, über sich nachzudenken, und Unterstützung, um zu erkennen, wie man es besser macht. So lernen sie, sich selbst zu verstehen. Das ist mindestens so wichtig wie verständnisvolle Eltern.
Mythos Nr. 10: Eltern tun einem Kind niemals weh. Meinem Kind Schmerzen zufügen? Für Eltern ist das eine
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