Kinder
habe.
»Ach? Kommt ihr inzwischen besser miteinander klar?«
Lukas zuckte mit den Schultern.
»Das wäre ja schön«, sagte Annette Pietsch schließlich. »Wenn ich
mich früher mit Kollegen, die auch noch in meiner Nähe saßen, nicht vertragen
habe, hat das die Arbeitstage richtig unangenehm gemacht.«
Lächelnd strich sie ihrem Sohn über den Kopf, dann fiel ihr wieder
ein, dass er zu spät heimgekommen war, ohne vorher Bescheid zu geben – und sie
rang sich noch einen kleinen Tadel ab.
»Du weißt genau, dass wir uns sonst Sorgen machen!«, sagte sie und
sah Lukas ernst an.
»Ist gut, Mama«, murmelte der Junge und trollte sich auf sein
Zimmer.
Er setzte sich gleich an die Hausaufgaben und war doppelt
erleichtert: Marius und seine Gang hatten ihn nicht erwischt, und die
Standpauke seiner Mutter war wirklich sanft ausgefallen.
»Wer war denn dran?«
Annette Pietsch stellte das Telefon zurück auf die Ladestation,
setzte sich wieder zu ihrem Mann an den Esstisch und schüttelte den Kopf.
»Karin Knaup-Clement«, sagte sie und betonte den Namen übertrieben
gespreizt.
»Oha, unsere Business-Lady. Und: was wollte sie?«
»Die trommelt gerade die Eltern von Lukas’ Klasse für einen
Stammtisch zusammen. Sag mal, Rainer: War da vorgestern noch etwas auf eurem
Elternabend, von dem du mir nicht erzählt hast?«
Er dachte noch einmal nach, aber es fiel ihm nichts weiter ein.
»Nein. Die Moeller war ziemlich streng, das wussten wir ja schon von
unseren Kindern. Schon auch etwas gruselig, da hatte Sarah recht. Und sie hat
Kevins Mutter quasi vor aller Augen geschlachtet. Das hatte etwas von einer
Machtdemonstration, als wolle sie nur mal zeigen, wer Chef im Ring ist.«
»Hm … Aber die Knaup-Clement kann die Werkmann doch gar nicht
leiden – also für die organisiert sie den Stammtisch ganz sicher nicht.«
»Vielleicht ist sie beleidigt, weil die Moeller sie ja auch
kritisiert hat.«
»Weil sie abends vom Job erzählt, anstatt ihrer Tochter zuzuhören?«
Rainer Pietsch zuckte mit den Schultern.
»Na, ich weiß nicht …«
»Hallo, Jörg«, sagte Frido Hässler und ließ sich neben dem
Kollegen auf den Stuhl sinken.
Zimmermann nickte nur, kaute weiter an seinem Käsebrot und hielt
Hässler eine kleine Plastikschale mit Oliven und Schafskäse hin.
»Hm?«
»Nein, danke«, lehnte Hässler ab und kramte ein Brötchen aus seiner
Tasche hervor. »Trockentag heute, weißt du?«
Zimmermann nickte grinsend – die Marotte des Kollegen, zweimal die
Woche nur trockene Brötchen oder trockenes Brot zu sich zu nehmen, kannte er
natürlich.
»Siehst gut aus, heute«, sagte Hässler ein paar Bissen später. Und
er meinte damit vor allem, dass Zimmermann besser roch als sonst: kein Schweiß,
sondern ein Hauch von Shampoo und Rasierwasser.
»Mir geht’s auch besser. Die Neunte scheint sich halbwegs gefangen
zu haben – mit denen kann ich inzwischen richtig Unterricht machen. Die passen
auf, lärmen nicht rum, arbeiten mit – nicht wiederzuerkennen, ehrlich!«
»Moeller, oder?«
Zimmermann zuckte mit den Schultern.
»Wahrscheinlich. Der Typ ist irgendwie schräg, aber er bringt Zug in
die Klassen, das muss man ihm lassen.«
Hässler nickte.
»Wenn ich nur wüsste, wie er das anstellt. Und vor allem: warum das
anhält, auch wenn er selbst gar nicht im Raum ist.«
In der Vereinsgaststätte herrschte dicke Luft.
Nebenan lief ein Fußballspiel auf Großleinwand, und selbst durch die
getönte Scheibe zwischen Nebenzimmer und Gastraum war zu erkennen, dass drüben schwere
Qualmschwaden zur Decke aufstiegen. Die beiden Räume waren zwar durch die
Glasscheibe und eine Schiebewand komplett voneinander getrennt, aber die
Bedienung huschte so oft durch die Verbindungstür, dass inzwischen auch der
Gastraum selbst intensiv nach Zigarettenrauch roch.
Am großen Tisch in der Ecke saß Karin Knaup-Clement, flankiert von
mehreren anderen Müttern, und sah immer wieder missbilligend auf die
Verbindungstür. Ab und zu, wenn die Bedienung zum Tisch herübersah, wedelte sie
demonstrativ mit der flachen Hand vor ihrer Nase, aber die Bedienung verstand
den Wink nicht oder wollte ihn nicht verstehen – und ihre Stammkundschaft hätte
sie wohl auch kaum für einen Tisch voller Mineralwasser und kleiner
Beilagensalate mit Joghurt-Dressing light vor den Kopf stoßen wollen.
Annette und Rainer Pietsch hatten für die Kinder einen DVD -Abend vorbereitet, mit Chips und Popcorn und einer
Science-Fiction-Trilogie aus den
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