Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinderseelen Verstehen

Kinderseelen Verstehen

Titel: Kinderseelen Verstehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Krenz
Vom Netzwerk:
ist und auf möglichst wenig verzichten muss, zumal die Eltern selbst aus eher ärmlichen Verhältnissen stammen und daher wissen, was es bedeutet, mit sehr wenig Spielmaterialien auskommen zu müssen.
    Die Mutter hat ihrer eigenen Einschätzung nach schon von Anfang an alles unternommen, dass Leonie möglichst viele Aktivitäten kennenlernt. Im ersten Lebensjahr hat sie mit ihrer Tochter an einer Mutter-Kind-Gruppe teilgenommen, in der die Kinder mit unterschiedlichen Materialien hantieren konnten. Bei den regelmäßigen Spielplatzbesuchen saß sie mit ihrer Tochter im Sandkasten, hat ihr gezeigt, wie man mit den Förmchen und Sand Kuchen backt, hat sie auf die Schaukel gesetzt und lange Zeit in Bewegung gehalten. Sie hat zu Hause in jeder freien Minute mit ihr und den Puppen gespielt, hat ihr gezeigt, wie man die Puppen richtig anzieht, oder hat ihrer Tochter mit den Finger- bzw. Handpuppen kleine Geschichten erzählt oder Märchenstücke aufgeführt. Auf die Frage, wann Leonie denn einmal Zeit für sich allein hatte, meinte die Mutter: » Immer, wenn sie wollte. Aber das kam so gut wie gar nicht vor, weil meine Tochter immer mit mir zusammen sein wollte. Und da man ja als aufgeklärte Mutter heutzutage weiß, dass die ersten Lebensjahre eines Kindes durch viele offene Bildungsfenster geprägt sind, dachte ich mir, ich müsse unsere Tochter ständig beschäftigen, damit sie schon möglichst früh viele und interessante Bildungsangebote erlebt.«
    → Der entscheidende Ausschnitt aus dem biografischen Hintergrund
    Wie schon in der Ausführung des Beispiels deutlich geworden ist, hat sich die Mutter sehr intensiv – und in diesem Fall zu sehr – um die alltägliche Beschäftigung ihres Kindes gekümmert. Sie hatte Angst (aus ihren Aussagen und ihrem Gesichtsausdruck sprach schon fast ein gewisses Maß an Panik), dass es ihrer Tochter langweilig sein könnte . Wo immer sie waren und was immer sie auch unternommen haben – stets war die Mutter zur Stelle, um Leonie in eine Aktivität einzubinden. Doch das hatte zur Folge, dass Leonie sehr schnell gelernt hat: »Ich muss nur abwarten, wenn ich irgendetwas machen soll. Mama hat bestimmt irgendeinen Vorschlag und wird mir schon sagen, was in dieser Situation unternommen oder gespielt werden könnte.«
    Leonie hat gelernt, sich von einem Lebensakteur zu einem Ausführungsreakteur zu entwickeln. Dabei wurde ihr die Verantwortung für eine selbstständige Handlungsgestaltung schon von jüngster Zeit an abgenommen, sodass sie wusste: »Irgendwas fällt Mama/den Erwachsenen immer ein. Und wenn ich nur lange Zeit genug drängle, dann wird auch ein entsprechendes Angebot folgen.«
    → Bedeutungswert
    Leonie ist in einem Überangebot an vorgegebenen Handlungsideen und Spielmaterialien groß geworden. Was in diesem Zusammenhang besonders entwicklungshinderlich ist: Sie hat(te) dadurch zu keinem Zeitpunkt die lebenswichtige Lernmöglichkeit, Anstrengungsbereitschaft und Selbstverantwortung zu lernen. Im Gegenteil: Sie wurde mit den Jahren immer abhängiger von Handlungsimpulsen, die ihr von anderen Menschen vorgegeben wurden, und hat stattdessen Anstrengungsvermeidung aufgebaut und gelernt, Verantwortung für ihr Wohlbefinden zu delegieren. Getreu dem Motto: »Sorge du für mich, damit es mir gut geht. Sag du mir, was ich machen soll, und zeige mir, womit ich mich beschäftigen kann.«
    → Praktische Hinweise
    Leonie muss die Möglichkeit bekommen, selber für sich und ihre Zeitgestaltung zu sorgen. Dazu bedarf es keiner gezielten Angebote mehr! Stattdessen sollten Erwachsene für zweierlei Dinge sorgen: Auf der einen Seite müssen die Erwachsenen den Anspruch bzw. die Erwartung aufgeben, dass Kinder zu jeder Zeit und an allen Orten »sinnvoll beschäftigt« sein sollten, und sie müssen es den Kindern ermöglichen, auch »Langeweile« zu erleben. Nur so können Kinder Folgendes lernen: »Wenn mich die Langeweile wirklich ärgert, dann habe ich zwei Möglichkeiten. Der eine Weg besteht darin, die Langeweile auszuhalten bzw. zu ertragen, der andere Weg besteht darin, dass ich mir selbst etwas suche, um diesem ärgerlichen Zustand zu entkommen.« Gleichzeitig sollten Erwachsene darauf Wert legen, sich den Spiel- und Handlungsschwerpunkten der Kinder zuzuordnen, und dabei ihr Interesse an den Tätigkeiten der Kinder zeigen. So ist das Kind der Handlungsakteur und der Erwachsene »nur« der interessierte und spielbegleitende Reakteur.
    »Ich hasse Wasser wie die Pest« – Wenn

Weitere Kostenlose Bücher