Kindersucher - Kriminalroman
blutdurchtränkten Schuhe vor Nässe quietschten, begriff er, dass die Maschinen allmählich zur Ruhe kamen und die Arbeiter hinausgingen.
Das war kein Alarm. Es war Mittagspause.
Feixend verzog Axel das Gesicht.
Er hob das Hackebeil und griff an.
Kraus packte zwei große Metallhaken, die an dem Förderband über seinem Kopf befestigt waren und sprang, zog die Beine an und rammte dann mit voller Wucht seine Füße gegen Axels Brust. Der Aufprall schleuderte den Mann zurück; er rutschte auf dem blutgetränkten Boden aus und stürzte. Als Kraus ihn angriff, um die Gelegenheit zu nutzen, rutschte er jedoch ebenfalls weg, so dass sie jetzt beide auf dem Boden lagen.
Axel erhob sich als Erster; er sah aus, als würde er von den Toten auferstehen, vollkommen mit Blut bedeckt, während er sich Kraus langsam mit seinem Beil näherte. Kraus blickte hoch, in das wütende Gesicht seines Widersachers, und überlegte, ob er sich nach links oder nach rechts rollen sollte. Doch Axel rutschte erneut weg, als er angriff, sein Beil flog durch die Luft, und er selbst brach wie eines der betäubten Rinder zusammen, direkt auf Kraus. Sekunden später versuchte er mit seinen vom Blut glitschigen Händen Kraus’ Kehle zu packen.
Kraus bemühte sich verzweifelt, dem Griff zu entgehen, und es gelang ihm, weiter zu atmen. Aber die Kraft dieses Ungetüms war unerbittlich. Kraus merkte, wie sich Axels Augen inseine bohrten. Sie waren beide in einem Kampf verschlungen, der nur einen Ausgang haben konnte.
Aus dem tiefsten Grund seiner Seele grub Kraus seine letzte Hoffnung aus.
»Nutzloses Monster«, krächzte er unter Axels Würgegriff. »Hast mir den Kopf abgeschnitten und ihn auf einen Baum gepflanzt, stimmt’s?«
Was war noch gleich das Einzige, das Axel jemals wirklich gefürchtet hatte?
»Dafür kommst du in den Keller. Und wenn du heulst, ziehe ich dir die Haut bei lebendigem Leib ab und fresse dich ...«
Axel erstarrte, wie betäubt, als er hörte, dass jemand seinen schon so lange toten Vater beschwor. In seiner Verwirrung lockerte er seinen Griff so weit, dass Kraus einen schnellen Schlag gegen seine Gurgel führen konnte. Die Bestie wich zurück und keuchte.
Kraus pumpte schwer atmend Luft in seine schmerzenden Lungen und sah sich hastig um. Etliche blutbefleckte Hämmer lehnten an der Wand. Er spannte sich an, glitt unter Axel hervor und griff mit aller Kraft zu. Es gelang ihm, einen Hammer zu erwischen und sich vom Boden hochzuziehen.
Dann standen er und Axel sich gegenüber, und beide keuchten heftig. Aber Kraus war im Vorteil, denn Axel hatte sein Beil verloren. Kraus wog den schweren Hammer vorsichtig und hielt ihn schräg, um einen strategischen Schlag zu führen. Axel taumelte müde zurück und stieß dabei aus Versehen mit dem Ellbogen an ein Steuerpult. Die Maschine sprang an. Axel ignorierte das mechanische Klappern, dessen Lautstärke anschwoll, während er sich darauf vorbereitete, den Schlag des Hammers abzufangen. Kraus wusste, dass er nur eine Chance hatte: Er musste einen tödlichen Schlag führen, sonst würde sein eigener Kopf zu Brei zermalmt werden. Axels gewaltige Hände waren halb erhoben und kampfbereit, seine Augen traten hervor,schwarz vor Hass. Er stemmte ein Bein nach hinten, um einen festeren Stand zu haben, aber dabei landete sein Fuß in einer der Kettenschlaufen, mit denen die Rinder angehoben wurden. Dadurch setzte er den Mechanismus automatisch in Gang. Er kreischte, als sein gewaltiger Körper an den Beinen hochgerissen wurde und er von dem Förderband ruckelnd weiter transportiert wurde.
Kraus’ Kehle brannte immer noch. Er war kaum in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Er taumelte zu dem Steuerpult, konnte sich jedoch nicht auf die winzigen Schalter und Lampen konzentrieren. Welchen hatte Axel wohl betätigt?
»Um Gottes willen!« Axel streckte seine riesigen Arme aus.
Er glitt geradewegs auf den Schlund des Todes zu.
Verzweifelt suchte Kraus nach dem Hauptschalter.
Axel weinte. »Nein, Vati! Nicht!«
Kraus fand den Schalter und riss mit aller Kraft daran.
Die gigantische Säge kam kreischend zum Stehen.
Aber erst nachdem ein grauenvoller Schrei ertönt war, gefolgt vom unüberhörbaren Knirschen brechender Rippen.
VIERUNDZWANZIG
Kraus’ Körper vibrierte förmlich vor Anspannung.
Er setzte sich auf, rollte mit den Schultern und versuchte, sich zu konzentrieren. Aber irgendwie wirkte alles verschwommen. Die beiden Männer am Tisch gegenüber strahlten einen
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