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Kindersucher

Kindersucher

Titel: Kindersucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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enthüllte seinen haarigen Hintern. »Hier ist kein Platz für Zimperlichkeiten.«
    Sie bedeutete Kraus mit einem Nicken, weiterzumachen, während sie den Wasserbeutel an einen Haken hängte.
    Bachmann drehte das Gesicht auf der Matratze zur Seite, damit er weitersprechen konnte. »Die meisten Jungs, die noch vor 1916 eingezogen wurden, haben nie begriffen, wie schwierig die Lage zu Hause geworden war.« Er zuckte zusammen, als Schmidt einen großen Klumpen schleimiger Spucke auf die Spitze des Schlauchs rotzte, ihn in seinen After steckte und mit rauen, ruckartigen Bewegungen wie einen Abflussstampfer weiter hineinschob. Kraus zuckte ebenfalls zusammen während Gunthers Gesicht beinahe kanariengelb anlief. Doch in Bachmanns Augen trat ein beinah heiterer Blick, als sie den Schlauch losließ und anfing, den Beutel auszudrücken. »In der Armee bekam man wenigstens zweimal am Tag etwas zu essen. Nicht aber in Niedersedlitz. Man hätte glauben sollen, bei den vielen Bauernhöfen hier in der Gegend wäre das kein Problem gewesen, aber jeder Bissen wurde requiriert. Wurde auch nur ein einziges unerlaubtes Weizenkorn bei einem gefunden ...«
    Als der Beutel leer war, zog Schmidt den Schlauch heraus und richtete Bachmann wieder auf.
    »Natürlich haben wir alle Gewicht verloren.« Er sprach beiläufig weiter, während sein Gesicht rot anlief. Dann griff er nach seiner Zigarre im Aschenbecher und bedeutete Gunther, er solle ihm Feuer geben. »Die Schwächsten fingen wirklich an zu hungern: alte Frauen mit eingefallenen Wangen, Kinder mit geschwollenen Bäuchen. In der Fabrik gaben sie uns jedoch genug, damit wir weitermachen konnten. Als also Magdas Bauch so mächtig anschwoll, wussten alle, dass es nicht am Hunger lag. Schmidt ...«
    Die sauertöpfische Krankenschwester hob den Harnisch an und schob eine Bettpfanne unter seinen Torso, während Bachmann die Augen verdrehte und vernehmlich abführte. Es klatschte in dunklen, schwarzen, schweren Klumpen in die Pfanne, und Kraus und Gunther lehnten sich beide so weit wie möglich zurück.
    »Sie war natürlich ein großes Mädchen, deshalb hat es niemand bemerkt, bis zum allerletzten Monat. Dann kamen die Gerüchte.« Bachmann fuhr fort, während Schmidt ihm den Hintern mit einem Handtuch abwischte. »Sie war ja nicht mal siebzehn.«
    Schmidt schwang Bachmann wieder mit dem Gesicht aufs Bett und läutete die nächste Runde ein.
    »Alle waren davon überzeugt, dass es einer der polnischen Gastarbeiter gewesen sein musste.« Diesmal schrie Bachmann leise, als die Schwester den Schlauch einführte. »Aber dem war nicht so.« Er schwieg, während Schmidt erneut Wasser in seinen Darm pumpte. Und ihn anschließend wieder aufrichtete. »Na ja, es gibt wohl keine Möglichkeit, es vornehm auszudrücken, Herr Kriminalsekretär«, meinte er dann und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. »Bruno Köhler hat seine Kinder gefickt. Und das meine ich nicht im übertragenen Sinne. Axel war manchmal so wund, dass er kaum zur Schule laufen, geschweige denn sitzen konnte. Und Magdas Baby war nicht von einem Gastarbeiter.«
    Kraus blieb eine Minute schweigend sitzen.
    »Hat sie es ... geboren?« Er fand schließlich seine Stimme wieder.
    »O ja.« Bachmann schien die Flüssigkeit in seinem Darm diesmal zu fühlen, schloss die Augen und holte tief Luft. »Sie hat es gekriegt, das schon. Aber dieser Hundesohn«, er öffnete langsam die Augen und zuckte etwas, »er sagte, es wäre Teufelsbrut. Schmidt, Liebchen!« Die Schwester schlurfte zu ihm herüber. »Sobald Magda entbunden hatte«, eine frische Bettpfanne wurde unter ihn geschoben, und ein lauter Seufzer begleitete diesmal den zweiten Stuhlgang, »trug dieser Mistkerl sein eigenes neugeborenes Baby in den Hinterhof und«, Bachmann fuhr mit einem Finger über seine Kehle, »wie bei einem Frischling. Das hat Axel mir erzählt, und er hatte keinen Grund, mich anzulügen. Magda ist wirklich außer sich geraten, weil sie zutiefst religiös war, verstehen Sie, und das Baby war nicht einmal ...«
    »Getauft.« Gunther beendete den Satz für ihn. »Also hat sie geglaubt, es wäre für alle Ewigkeit verloren.«
    »Sehr gut.« Bachmann nickte.
    »Völlige Verderbtheit«, sagte Gunther zu Kraus.
    Die Schwester warf einen Blick in die Bettpfanne und grunzte zufrieden. »Also gut, Majestät, eine weitere Runde sollte genügen. Mach es nett und klar für mich, ja?«
    Klar, ja, völlig klar, dachte Kraus. Diese Bibelpassage. Kinder des Zorns. Nicht Ilse,

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