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Kindersucher

Kindersucher

Titel: Kindersucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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Ausbruch von Heiterkeit, dass sie sich mit beiden Händen den Bauch halten musste. »Sie haben ihn zurechtgestutzt, das muss man wirklich sagen!«
    Verblüfft fragte sich Kraus, warum sie nicht versucht hatte zu fliehen, wenn sie vom Tod ihres Bruders gewusst hatte. Vielleicht hatte sie sich in ihrem mit Sklaven gefüllten Kerker zu sicher gefühlt. Oder sie war einfach bereit gewesen, aufzugeben.
    »Als ich mit Ihnen im Viehhof geredet habe, kann ich mich nicht an irgendwelche Ketten an Ihren Füßen erinnern, Magda, so wie die, die Sie den kleinen Jungs angelegt haben. Sie sahen aus, als stände es Ihnen frei, jederzeit zu gehen.«
    »Woher zum Teufel wollen Sie das wissen?«
    Ganz offenbar war das die falsche Herangehensweise.
    Magda verlagerte ihren massigen Körper, als wollte sie ihn angreifen. Er hob die Hände, um sie abzuwehren, und sie ließ sich mit einem jämmerlichen Wimmern zurücksinken, riss die Arme über den Kopf und zitterte, als würde man ihr Prügel androhen.
    »Oh, bitte, schlagen Sie mich nicht! Mein Gott, bitte! Nein, bitte!«
    »Niemand schlägt sie, Magda.«
    Aber es war zu spät.
    Magda hatte sich zu einem Ball zusammengerollt, hinter eine unsichtbare Mauer zurückgezogen und wollte nicht wieder hervorkommen. Zuerst schien sie einfach nicht zu begreifen, dann wirkte es so, als würde sie Kraus nicht einmal hören. Im nächsten Moment schlief sie ein und begann zu schnarchen wie ein betrunkener Seemann. Gunther und Kraus sahen sich an, weil sie nicht wussten, wie sie weiter vorgehen sollten. Doch nur wenige Sekunden später war Magda wieder hellwach und reckte sich, als wäre sie aus einem langen Schlaf erwacht. »Himmel.« Sie sah sich um. »Wo sind meine Kinder?«
    »Man kümmert sich um sie«, versicherte Kraus ihr.
    Dann versuchte er sie dazu zu bringen, ihm zu verraten, was er vor allem herausfinden musste: wo sich ihre Schwester aufhielt. Aber kaum erwähnte er Ilse, wurde Magda wild.
    »Lassen Sie sie aus all dem heraus!«, kreischte sie und ballte die Fäuste. Dann tat sie, als würde sie ein Baby in ihren Armen wiegen. »Mein süßer kleiner Engel. Sie sorgt sich um alle, nur nicht um sich selbst.«
    Kraus musste ihr ein Taschentuch geben, weil sie so herzerweichend schluchzte.
    »Sie hat sich immer Sorgen um die Zukunft der Welt gemacht.« Magda wischte sich ihre aufgequollenen Wangen ab. »Sie ist da draußen und tut Gutes. Ganz alleine, ohne dafür belohnt zu werden.« Jedes Mal, wenn Magda sich die Nase schnaubte, schien ihr Gesicht sich auszudehnen. »Sie säubert die ganze Nachbarschaft. Beseitigt die kleinen Schädlinge.« Schließlich schien ihr ganzer Kopf platzen zu wollen. »Denn genau das sind sie, wissen Sie, was ich meine? Ungeziefer, das ausgemerzt werden muss.« Ihre Augen schienen vor Entzücken zu explodieren. »Junge, die kamen vielleicht angerannt, wenn Ilse rief: ›Eiscreme!‹« Sie lachte aus vollem Herzen. »›Eiscreme! Eiscreme!‹ Ein echter Rattenfänger.«
    Magda hob ihre fleischigen Hände und ließ sie dann niedergeschlagen wieder sinken.
    »Aber, Herr Kriminalsekretär, können Sie mir sagen, warum sie sich immer wieder verliebt hat? Es bricht mir das Herz. Zuerst der Doktor. Dann die Priesterin. Und jetzt dieser schnurrbärtige kleine Intrigant. Sie gibt ihm alles, und was bekommt sie dafür?« Magda lehnte sich zurück und wiegte sich hin und her. »Ich bin lieber allein. Nur ich und meine Jungs.« Ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Sie sind so süß, habe ich recht? Sie leiden wahrhaftig wie Jesus Christus.«
    Magda zuckte zusammen, als hätte man ihr einen Dolch in die Seite gerammt.
    »Ihr kleinen Scheißer!«, schrie sie und sah sich mordlüstern um. »Ich werde etwas Nützliches aus euch machen!«
    Sie seufzte, lehnte sich wieder zurück und holte tief Luft. »Die Lebenden lasse ich arbeiten, und die Toten verarbeite ich zu ...«
    Vielleicht spürte sie, dass sie das, was sie gerade sagen wollte, besser nicht aussprach, jedenfalls erstarrte sie, riss beinahe verzweifelt ihren Gefängniskittel auf, holte eine gewaltige Brust heraus, schob sie sich in den Mund und begann zu saugen.
    »Mmmh, Mami, ich bin so hungrig.«
    Das war der Zeitpunkt, an dem Kraus zugeben musste, dass Magda Köhler einfach eine Nummer zu groß für ihn war.

    Das Terrassenorchester stimmte einen lebhaften Charleston an, ein Tanz, der praktisch das letzte Jahrzehnt bestimmt hatte. Gunther und Vickis Schwester Ava waren auf der Tanzfläche und versuchten, das

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