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Kindersucher

Kindersucher

Titel: Kindersucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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nicht?
    Eine feste Hand packte seine Schulter. Fritz kauerte neben ihm.
    »Willi, auf meine etwas dümmliche Art und Weise habe ich versucht, dir zu sagen ... Hier, ich meine diesen Brief.«
    Fritz zog etwas aus seiner Jacke und wedelte damit herum.
    »Du kennst doch meine Freundin, die Baroness. Natürlich kennst du sie, sie war im Admiralspalast, an jenem Abend, als wir Josephine Baker gesehen haben. Jedenfalls ist ihre Schwester mit dem Direktor der Preußischen Akademie der Wissenschaften Unter den Linden verheiratet, einem Dr. Siegfried Sonnenfeldt. Vor mindestens sechs Monaten, als ich diese Geschichte hörte, hatte dieser Sonnenfeldt einen Brief aus Moskau erhalten, von einem gewissen Dr. Vyrzhikowsky oder so ähnlich, dem Direktor der sowjetischen Akademie der Wissenschaften. Er behauptete, ein Kollege aus Leningrad wüsste von einem deutschen Wissenschaftler in Berlin, der ungeheuerliche Verbrechen begehen würde. Ich bin gerade von Sonnenfeldt gekommen, und er hat mir gesagt, dass das stimmte. Er hat das deutsche Begleitschreiben Vyrzhikowskys zusammen mit dem russischen Original des Briefes aus Leningrad an einen Kriminalbeamten hier im Berliner Polizeipräsidium geschickt, schon vor Monaten, aber nie eine Antwort erhalten. Aber Sonnenfeldts Sekretärin hat eine Kopie des Begleitbriefs angefertigt und sie mir geborgt.«
    Fritz zog den Brief aus dem Umschlag und begann zu lesen:

    Sehr geehrter Herr Dr. Sonnenfeldt,
    als Kollege schicke ich Ihnen ein dringliches Schreiben meines Kollegen, des hoch geschätzten Vorsitzenden der physiologischen Abteilung am Institut für Experimentalmedizin in Leningrad. Es ist von größter Bedeutung, dass Sie diesen Brief so schnell wie möglich an einen fähigen Polizeibeamten weiterleiten. Da ich weiß, dass es bei Ihnen an russischen Emigranten nicht mangelt, erspare ich mir die Zeit, den Brief zu übersetzen. Sollte sich herausstellen, dass die schrecklichen Behauptungen, die dieser Dr. Spiegel in seinem Turm in Berlin erhebt, mehr als nur reine Erfindung sind, genügt es zu sagen, dass sie ein Verbrechen darstellen, das in den Annalen der wissenschaftlichen Geschichte beispiellos ist. »Ich verstehe nicht.« Kraus hatte sich aufgerichtet und wischte sich das Gesicht ab. »Was steht denn in diesem Brief aus Leningrad so Wichtiges?«
    »Sonnenfeldt hatte keine Ahnung. Der Brief ist in Russisch abgefasst.«
    Kraus seufzte, bereit, das alles als eine von Fritz’ trunkenen Phantasien abzutun, wenn da nicht der Turm erwähnt worden wäre.
    »Also gut, an wen im Präsidium hat Sonnenfeldt denn diesen Brief geschickt?«
    »Du wirst es nicht glauben, Willi: an Hans Freksa.«
    Kraus hob verzweifelt die Hände. »Dann weiß nur Gott, wo er jetzt begraben liegt. In diesem Gebäude gibt es mehr Akten als im Nationalarchiv.«
    »Ich werde ihn finden.« Gunther trat vor und warf Fritz seinen Mantel zu. »Wenn dieser Brief per Post gekommen ist, muss er durch die zentrale Annahmestelle gegangen sein, und zufälligerweise stehe ich mit einem der Mädchen da unten ziemlich gut.«
    Fritz legte sich den Umhang über die Schultern und knöpfte ihn zu. »Und wenn er auf Russisch ist, wirst du einen hervorragenden Übersetzer benötigen. Madame Grzenskya, die du ganz sicher auf einer unserer Partys getroffen hast, war früher Kammerzofe der Zarin.«
    Kraus saß einfach nur da und dachte: Großartig, Jungs, setzt euren männlichen Charme ein. Vögelt sie, bis sie schreien, wenn es sein muss. Aber bringt mir, was ich brauche. Und zwar schnell.
    Er holte tief Luft und sah ihnen nach, als sie hinausgingen.

    Als ein paar Minuten später zwei Jungen in der Tür auftauchten, von denen der eine etwas dicker war als der andere, wäre er fast vom Stuhl gesprungen, bis er erkannte, dass es nicht Heinz und Erich waren, sondern die Puppenjungs, Milo und Dolf, die Kai nachdrücklich ins Zimmer schob. Sie hatten wild abstehende Haare und wirkten fast wie Tiere; ihre runden, scharfen Augen verrieten, dass sie ganz eindeutig nicht besonders glücklich darüber waren, hier gelandet zu sein.
    »Zufrieden, dass Sie uns das Mittagessen versaut haben?« Der Dürre wandte sich furchtlos an Kraus. »Ich war bei einem echten Millionär auf der Motzstraße, bis der Kerl hier an die Tür gehämmert hat.«
    Kraus bewunderte unwillkürlich den Mumm des Jungen. Gleichzeitig tat er ihm leid, weil er wusste, dass auf der Motzstraße keine Millionäre lebten. Er langte trotzdem in seine Tasche, als er begriff, worum es

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