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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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elegante Erscheinung. Sie hätte Oliver gefallen, wenn er vierzig Jahre jünger gewesen wäre. Es kam vor, dass er sie heimlich beobachtete, wenn sie sich im Sommer in ihrem Liegestuhl sonnte, vor allen Blicken sicher bis auf seinen, denn der Garten lag direkt unter dem Fenster seines Arbeitszimmers, jenseits des Gässchens und der Mauer. Irgendetwas stimmte nicht. Die vier Stockwerke des Hauses waren erleuchtet. Die Eingangstür, die direkt auf die Straße ging, stand weit offen, und der Widerschein einer kleinen Laterne glänzte auf der regennassen Schwelle.
    Aber hinter den Fenstern war niemand zu sehen.
    Die seitlichen Fenstertüren vom Wohnzimmer in den Garten waren sperrangelweit geöffnet; sie schlugen im Wind wie die Schwingtüren eines Wildwest-Saloons, und der schräg fallende Regen musste auch im Haus auf den Boden spritzen . Oliver sah, wie die Tropfen auf den Terrassenplatten hüpften und die Grashalme des Rasens niederdrückten.
    Bestimmt kam die Musik von dort … Er spürte, wie sein Puls raste. Sein Blick glitt langsam zum Schwimmbecken. Elf auf sieben Meter. Sandfarbene Fliesen ringsherum. Ein Sprungbrett.
    Er empfand eine düstere Erregung, wie sie einen überkommt, wenn die tägliche Routine durch etwas Ungewöhnliches unterbrochen wird – und in Olivers Alter bestand das Leben nur noch aus Routine. Sein Blick erkundete den Garten rund um das Becken. Im Hintergrund begann der Wald von Marsac, ein 2700 Hektar großes Areal mit Wanderwegen. Auf dieser Seite gab es keine Mauer, nicht einmal einen Zaun, nur eine undurchdringliche grüne Wand. Das Poolhaus, ein kleiner massiver Bau, der jünger war als der Rest, stand am anderen Ende des Schwimmbeckens auf der rechten Seite.
    Jetzt musterte er das Becken. Im peitschenden Regen kräuselte sich die Oberfläche. Oliver kniff die Augen zusammen. Zuerst fragte er sich, was er da sah. Dann erkannte er, dass mehrere Puppen im Wasser schaukelten. Ja, genau das sah er … Obwohl er wusste, dass es nur Puppen waren, durchrieselte ihn ein unerklärlicher Schauder. Sie trieben nebeneinander, und ihre blassen Kleider schwebten an der Oberfläche des Beckens, die von den Regenpfeilen wie durchsiebt wurde. Oliver und seine Frau waren einmal von dieser Nachbarin zum Kaffee eingeladen worden. Die französische Ehefau von Winshaw, eine ehemalige Psychologin, hatte eine Erklärung für diese Fülle von Puppen im Haus einer alleinstehenden Frau über dreißig. Auf dem Heimweg hatte sie ihrem Mann gesagt, ihre Nachbarin sei wahrscheinlich eine „Kindfrau“, und Oliver hatte sie gefragt, was sie damit meine. Daraufhin hatte sie Worte benutzt wie „Unreife“, „Flucht vor Verantwortung“, „interessiert sich nur für ihr persönliches Vergnügen“ und „hat ein psychisches Trauma erlitten“, und Oliver war kleinlaut geworden, denn ihm waren von jeher Dichter lieber gewesen als Psychologen. Aber, verdammt nochmal, was machten diese Puppen im Swimmingpool?
    Ich sollte die Gendarmerie verständigen, dachte er. Aber was soll ich ihnen sagen? Dass Puppen in einem Schwimmbecken treiben? Da überfiel ihn ein anderer Gedanke. Das war doch nicht normal … Das ganze Haus hell erleuchtet, niemand zu sehen und diese Puppen … Wo war eigentlich die Hausherrin?
    Oliver Winshaw drehte Riegel und öffnete das Fenster. Sofort schwappte eine Wasserwand ins Zimmer herein. Der Regen peitschte ihm ins Gesicht, er blinzelte, während er den Blick auf das seltsame Treibgut aus reglos starrenden Plastikgesichern heftete.
    Jetzt hörte er auch die Musik ganz deutlich. Er hatte sie schon gehört, auch wenn es nicht sein Lieblingskomponist Mozart war.
    Was zum Teufel sollte dieser Zirkus?
    Ein Blitz durchschnitt die Nacht, gefolgt von dem ohrenbetäubenden Krachen eines Donnerschlags. Der Lärm ließ die Scheiben erzittern. Wie ein jäh aufleuchtender Scheinwerfer enthüllte der Blitz eine menschliche Gestalt. Am Beckenrand sitzend, die Hosenbeine ins Wasser eingetaucht, hatte Winshaw sie zunächst nicht bemerkt, da der Schatten des großen Baumes in der Mitte des Gartens sie verschluckte. Ein junger Mann … Er beugte sich über die im Wasser treibenden Puppen und schien sie zu betrachten. Obwohl Oliver etwa fünfzehn Meter weit weg war, erahnte er seinen verlorenen, verstörten Blick und den aufgerissenen Mund.
    Oliver Winshaws Brust war nur noch ein Resonanzkörper, in dem sein Herz hämmerte wie ein rasender Schlagzeuger. Was war hier los? Er stürzte zum Telefon und riss den Hörer

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