Kindheit bei Scientology: Verboten (German Edition)
erklärt wurde. In der entsprechenden schriftlichen Erklärung zur »Supressive Person« (SP) (unterdrückerische Person) wird dem Vater unter anderem zur Last gelegt, dass er sich an eine staatliche Beratungsstelle gewandt habe, also »offene Feinde der Scientology« unterstützt. Damit habe er sein wahres Gesicht gezeigt und jegliches Vertrauen des Systems verloren. Als einziger Ansprechpartner innerhalb der Organisation gilt nun für den Vater der »International Justice Chief«.
Für Edwin ist das schlimm, denn er wollte doch seinem Vater immer beweisen, zu welchen Höhen er noch aufsteigen kann. Für die Anhörung beim Jugendamt und vor dem Familiengericht wird er vorbereitet. »Nein«, sagt er mit fester Stimme, »ich will bei meiner Mutter bleiben.« Auch auf Nachfragen des Rechtsanwaltes seines Vaters antwortet er wie einstudiert. Edwin hat neben allem damit zu kämpfen, dass er wahrscheinlich die Absichten seines Vaters hätte erkennen müssen. Schließlich haben ihm ja die Großeltern erzählt, dass sein Vater sie aufgefordert hat, ihn zu besuchen und zu befragen. Dieses hatte er nun auch intern berichtet und war eigentlich nur froh, dass er nicht dafür zur Rechenschaft gezogen wurde. Edwin hatte einfach nicht erkannt, welche feindlichen Absichten sein Vater damit verfolgte. Er weiß genau, dass es innerhalb der Organisation schon verwerflich ist, wenn man ein »nicht konformes Umgehen mit den Zielen der Organisation« nicht meldet. Trotz allem belastet Edwin sehr, seinen Vater und auch die Großeltern zukünftig nicht mehr sehen zu können. Allerdings ist er auch wütend darüber, dass er wegen seines Vaters nun erst einmal nicht mehr in England in der »Sea-Org« bleiben darf. Edwins unbestrittenes Ziel ist es, möglichst rasch mit dieser neuen Problemsituation fertig zu werden, um endlich ein hoch anerkanntes Mitglied der Eliteeinheit zu werden.
Das Familiengericht entscheidet für die Wahl des Kindes. Und das, obwohl der »Verfahrenspfleger«, den Edwin vom Gericht zur Seite gestellt bekommen hat, erhebliche Defizite in Edwins Entwicklung feststellen muss. Auch wird vorgebracht, dass seine Kenntnisse im schulischen Bereich nicht dem Bildungsstand eines Schülers der entsprechenden Klasse gleichzusetzen sind. Die Argumente des Vaters, dass er seinen Sohn wegen der »Unterdrücker-Erklärung« in Zukunft nicht mehr sehen wird, werden vom scientologischen Rechtsanwalt der Mutter abgetan.
Edwin bleibt nach dem Gerichtsurteil bei der Mutter und damit natürlich auch in der Organisation. Auch beim Antrag auf Umgangsrecht mit dem Vater folgen Jugendamt und Gericht den durch die Rechtsanwälte vorgetragenen Argumenten des Kindes. Edwin will selbst bestimmen, wann er den Vater sieht. »Das klingt doch ganz normal, und wie erwachsen dieser Dreizehnjährige schon wirkt, der weiß, was er will!«, mögen sich Richter und Mitarbeiter des Jugendamtes gedacht haben. Die Konsequenzen sind allerdings, dass Edwin von nun an seinen Vater nicht mehr sieht. Sein Vater schreibt ihm, schickt ihm Pakete zum Geburtstag und zu Weihnachten – doch ob Edwin diese auch erhält, weiß er nicht. Sein Sohn antwortet nicht mehr …
Wer gehen will, kann gehen
In der Scientology-Außendarstellung werden in der Regel die Schilderungen ehemaliger Scientologen über das während der Zeit der Mitgliedschaft Erlebte als Lügen dargestellt. Besonders beliebt scheint zu sein, die Aussteiger in den Kontext zu stellen, enttäuschende Erlebnisse hätten sie dazu gebracht, ihre ehemalige Überzeugung zu verleumden bzw. negativ darzustellen. Hinzu kommt die immer gleiche Behauptung, dass niemand in der Organisation festgehalten wird. Dass der Weg des Ausstiegs jedoch nicht so einfach ist und die Organisation häufig genug alle Möglichkeiten ausschöpft, dieses (scientologisch: »Blowen«) zu verhindern, dringt nicht an die Öffentlichkeit. Eines muss für die nicht-scientologische Welt, die die Erlebnisse der ehemaligen Anhänger analysiert, sehr deutlich sein: Jeder Mensch, der sich von Scientology löst und irgendwann den Mut fasst, über sein Leben in der Organisation zu erzählen, hat bereits einige gedankliche Lösungsprozesse von den jahrelang verinnerlichten Gedanken vollzogen.
Wer einem Aussteiger mit Kenntnissen über Anweisungen und Schriften im System genau zuhört, kann ohne große Probleme die jeweiligen Schilderungen der scientologischen Lebenswelt nachvollziehen und kommt zu dem Ergebnis, dass die
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