Kindheit bei Scientology: Verboten (German Edition)
Scientology-Einrichtung mitgemacht macht. Die Thesen des L. Ron Hubbard sind Familienideologie – doch die Eltern schicken in diesem Beispiel ihren Sohn in eine Waldorfschule; übrigens in scientologischen Familien ein öfter zu beobachtendes Phänomen. Staatliche Schulen werden in der Regel schon deswegen abgelehnt, weil der Staat an sich als Gegner der scientologischen Lehre betrachtet wird. So ist das Waldorf-Prinzip eine willkommene Alternative. Der Vorteil dieser Maßnahme – man mag über die schulische Ausbildung an den Steiner-Schulen durchaus streiten – ist immerhin, dass Edwin mit 16 Jahren einen anerkannten Realschulabschluss in Händen hält. Zwar verursachte ihm das viele Lernen – ungefähr ein Jahr, bevor er die staatliche Prüfung ablegen konnte – Stress, doch hat er, im Gegensatz zu anderen scientologisch gedrillten Kindern, etwas Nicht-Scientologisches in der Hand. Nach dem Schulabschluss entsteht allerdings die Frage, wie es weitergehen kann. Die Aussicht auf eine Arbeit in einer scientologischen Einrichtung ist für Edwin nicht sehr verlockend.
Die Eltern drängen zwar, und Edwin ist sich bewusst, dass er sie wieder mal enttäuscht – wie schon so oft, wenn er wesentlich längere Zeit benötigte, bestimmte Kurse abzuschließen. Er fasst nun den Entschluss, mit dem Schulabschluss in der Hand zu seinem Onkel und zu seiner Tante zu ziehen, die keine Scientologen sind. Edwin will sich einen Job außerhalb der Organisation suchen.
Die gesamte, relativ große, nicht-scientologische Familie hatte zwar immer einmal wieder Probleme mit Edwins Eltern wegen deren Zugehörigkeit zu Scientology, doch mischten sie sich nicht wirklich ein. (Insoweit war also der Teil der Familie, scientologisch ausgedrückt, prima »gehandhabt«.)
Edwin lebt einige Jahre bei seinen Verwandten, macht eine Ausbildung, zieht in eine andere Stadt und findet dort einen Arbeitgeber, einen Homöopathen. Möglicherweise zieht es Edwin gerade in diese Richtung, da er auf einer Waldorfschule war. Doch all dies schaf er – jedenfalls sieht es so aus – ohne die Hilfe der Organisation. Der Kontakt zu den Eltern und der bei Scientology linientreu agierenden Schwester bleibt bestehen. Man trif sich zu Familienfesten, weil die nicht-scientologischen Familienmitglieder sehr tolerant sind. Niemand jedoch merkt, dass Edwin jedes Mal, wenn er mit seinen Eltern zusammentrif, leidet. Die Fragen der Eltern nach seinem Wohlbefinden werden von ihm natürlich immer noch scientologisch interpretiert. Außerdem kämpft er die ganze Zeit mit seinem schlechten Gewissen, Eltern und Organisation letztlich verraten zu haben. Die ganzen Jahre über ist er dieses Gefühl nicht losgeworden, doch sprechen konnte er auch mit niemandem darüber.
Hinzu kommt, dass er massive Schwierigkeiten hat, Freundschaften aufzubauen. Für sich hat er die Erklärung, er sei eben »etwas anders«. Es mangelt ihm an Selbstbewusstsein, und er ist regelmäßig sehr misstrauisch, wenn er jemanden kennen lernt.
Nach einigen Jahren intensivieren die Eltern, vor allem die Schwester, den Kontakt zu ihm. Edwin besucht sie auch wieder regelmäßiger. Bei einem dieser Besuche lernt er den Freund der Schwester kennen, der aus Dänemark kommt. Edwin ist dieser Mann sofort sympathisch, er spürt eine Nähe und erzählt mehr als gewöhnlich über sein Leben und die Tatsache, dass er manchmal sehr einsam ist. Immerhin sind es fast 10 Jahre, die er nicht mehr bei Scientology ist. Doch jetzt fühlt er sich plötzlich angenommen, dieser Mann und seine Schwester haben ein offenes Ohr für seine Sorgen. Edwin freut sich darüber sehr, er fühlt sich gut und endlich angenommen, einfach so, wie er ist. Er hof, dass nun sein Leben endlich in die richtigen Bahnen kommt, und will mit dem Freund der Schwester nach Dänemark gehen. Es liegt auf der Hand, was der Freund verschwiegen hat: Er gehört zu einer Elite-Einheit von Scientology.
Edwin erinnert sich daran, dass er vor vielen Jahren schon nach Dänemark wollte. Doch hat er den Gedanken offensichtlich verdrängt, dass er damals nur die Aufmerksamkeit und Liebe seiner Eltern brauchte und es für sie getan hätte. Und Edwin weiß natürlich auch, dass er jederzeit Kopenhagen wieder verlassen kann. Letztlich überzeugen ihn die Schwester und der Freund, dass dieser Entschluss der einzig richtige ist. Auch sein Vater, bei dem Edwin in der letzten Zeit das Gefühl hat, dass dieser ihn ernst nimmt, bestärkt ihn in seinem
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