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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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wenn die berühmten Gäste angekündigt würden, in den Ring sprang, noch einmal brüllte, er sei der Größte, und danach die Treppe hinabstieg und aus der Arena und aus den Augen der Menschheit verschwand. Umstehende schrien ihm Beschimpfungen zu, seine Betreuer schoben ihn zurück in die Kabine, steif, die Schritte zögernd. Am Morgen hatte man ihn für hysterisch gehalten; jetzt hielt man ihn für katatonisch.«
    Im Umkleideraum zog Clay sich langsam um. Er wartete, bis man ihm die Hände eingebunden hatte, dann lockerte er sich allmählich, schlug Jabs in die Luft. Er hatte sich alles genau zurechtgelegt: Zwei, drei Runden lang herumtänzeln und jabben, Liston langsam mürbe machen, es dann eine Weile langsamer angehen lassen, warten, bis Liston erschöpft war, dann in der achten oder neunten auf den K.-o.-Schlag gehen. Meistens mußte Dundee darauf achten, daß Clay sich nicht schon vor dem Kampf in der Kabine verausgabte; er war so voller Energie, so ungeduldig, daß es endlich losging,daß er einen Hagel von Schlägen abschoß und tänzelte, bis er schweißüberströmt war. Nun aber waren seine Bewegungen vorsichtig, ernst. Vor ihm lag keine Inszenierung, sondern ein
Kampf
.
    »Bei allen Scherzen und Clownereien am Morgen«, sagte Dundee, »wußte er, daß es nun ernst wurde. Die ganze Zeit hatte er nur davon geträumt, und nun stand ihm ein ganz harter Bursche im Weg.
    »Er war sehr nervös, das sah man«, sagte Pacheco. »Ich war gegen Joe Frazier dabei, alle drei Kämpfe, gegen George Foreman in Zaire, bei allen war ich dabei, und jetzt war es wirklich das einzige Mal, daß er nervös war. Zum ersten und letzten Mal. Danach war es, na ja, das war wie neulich abend: Ich sah mir die
Benny Goodman Story
an, und da kam eine Szene, wo jemand zu Bennys Mutter sagt: ›Benny muß heute abend das Klarinettenkonzert von Mozart spielen – ist er denn nicht nervös?‹ Und sie sagt: ›Was? Soll das ein Witz sein? Die Klarinette ist sein Leben. Man stellt ihm die Musik hin, und er wird damit fertig. Er ist nie nervös. Das
übrige
Leben könnte ein Problem sein.‹ Genau wie bei Ali. Er boxte eben. Im Ring konnte er mit allem fertig werden. Verwirrend konnte das übrige Leben sein. Außer beim ersten Kampf gegen Liston. Er war ja noch jung, und an dem Abend hatte er keine Ahnung, ob er auch wirklich das tun konnte, was er die ganze Zeit behauptet hatte.«
    Clay war nicht nur wegen Liston und der Aussicht auf Schmerzen und Scham nervös, ihn beunruhigten auch die Gerüchte, die man ihm ins Ohr geflüstert hatte.
    »Paß auf«, hatte Captain Sam Saxon zu ihm gesagt. »Das weiße Machtgefüge ist hinter dir her.«
    »Paß auf«, hatten ihm einige andere Muslims gesagt. »Dundees Mafia. Du kannst ihm nicht trauen, und Pacheco und den anderen weißen Typen auch nicht.«
    Clay saß nun in der Kabine und war hibbelig.
    »Laut Plan gingen wir rein, schlossen ab und ließen keinen mehr rein«, sagte Pacheco. »Einem der irrwitzigsten Gerüchte zufolge, die in Umlauf waren, wollte die Mafia unser Wasser vergiften. Es war völlig lächerlich, doch Muhammad war besorgt. Also füllten wir eine Flasche voll Wasser und verschlossen sie mit einem Klebeband. Muhammad ließ die Flasche nicht von uns, sondern von den Muslims füllen. Wir waren über eine Stunde drin. Wir waren nur zu fünft, Luis Sarria und Bundini, beide schwarz, Angelo und ich, beide weiß, und Rudy. Und wenn wir das Wasser aus dem Blick ließen, sagte Muhammad: ›Schüttet das Wasser weg und füllt neues rein.‹ Das geschah drei-, viermal. Schließlich sagte ich: ›Wer soll dich denn vergiften, Angelo oder ich? Ich bin dein Arzt. Wenn ich dich vergiften wollte, dann hätte ich es mit einer Spritze getan.‹ Und Angelo, der hat es nie verwunden, daß die Muslims ihm ständig sagten, Angelo sei Italiener und habe Verbindungen zu Frankie Carbo, genau wie Listons Leute. Bei keinem kann man eine Paranoia schneller aufbauen als bei einem Boxer. Nur mit einem kleinen Hinweis. Es war doch so, daß in den vierziger und fünfziger Jahren jeder im Boxgeschäft Verbindungen zu Frankie Carbo hatte. Das wußte jeder, der sich im Boxen auskannte. Die Muslims aber waren einfach Leute aus Chicago, die keine Ahnung vom Boxen hatten. Schon vom Boxen an sich hielten die überhaupt nichts, bis Ali ihnen ein üppiges Leben verschaffte. Und so wurde die Wasserflasche immer wieder ausgeleert.«
    Als der Kampf näher rückte, überlegten Cassius und Rudy, wo Osten war, und als sie es

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