King of the World
würde,doch er hielt mit seinem Lob für Clay nicht hinterm Berg. Er wußte, daß im Ring etwas Bedeutungsvolles ablief, etwas, was er noch nie zuvor gesehen hatte, weder als Kämpfer noch als Kommentator. »Ich glaube, wir haben soeben eine der größten Runden seit langer Zeit erlebt«, sagte er den Zuschauern. »Meiner Ansicht nach hat Clay Sonny Liston in dieser Runde völlig deklassiert …«
»Wer hat die Runde gewonnen?« fragte Clay seine Ecke.
»Du!« brüllte Bundini.
»Du hast die Runde gewonnen«, sagte Dundee, »und du gewinnst auch das ganze Ding.«
Die Angst verzog sich. Clay öffnete nun weit den Mund, unwahrscheinlich weit, zu einem dunklen, ovalen Maul, und blickte hinab zu den Schreibern am Ring.
Mir den Mund stopfen? Das könnt ihr nicht!
Liston ging voller Verzweiflung in die zweite Runde, setzte schwere Schläge an, immer jeweils einen. Er schlug böse daneben. Er versuchte, Clay gegen die Seile zu drängen, wo er dessen schwindelerregende Bewegungen abstellen, zielen und feuern könnte. Einen Augenblick sah es so aus, als könnte diese Strategie aufgehen, doch dann tanzte Clay, nachdem er ein paar Schläge eingesteckt und einige andere mit den Handschuhen abgefangen hatte, von den Seilen weg und nahm sein Kreisen wieder auf, jenen Trab im Uhrzeigersinn, der Liston zunehmend desorientierte. Er war wie einer, der schon einen Sechserpack intus hatte und versuchte, eine Fahrt auf der Achterbahn, den Magenumdreher, den Zyklon zu überstehen, die Attraktion mit dem größten Übelkeitspotential, die der Rummelplatz zu bieten hat. Einmal schlug Liston mit einem linken Haken so weit daneben, daß er statt dessen ein Seil traf. Das Seil schlackerte umher als rappelnder Spott, und Liston war verlegen. Was konnteer tun? Wie standen die Chancen, daß Clay, der so jung und fit war, langsamer würde? Wie die Chance, daß Liston mit den sich hinziehenden Runden
besser
würde?
Clay begann nun, seinen Jab auf die fleischigen Polster unter Listons Augen einzuschießen, und plötzlich wölbte sich zur Bestürzung aller, die nahe genug waren, um es zu sehen, eine Schwellung unter Listons linkem Auge. Die Schwellung verlieh dem Champion ein übertriebenes Aussehen nicht von Schmerzen, sondern von Alter, von Müdigkeit. Clay entwischte nicht jedem Schlag, doch nun war klar, daß die erste Runde kein Ausreißer gewesen war, nicht das Ergebnis des Hyperschwungs eines aufgeputschten, übermütigen Herausforderers.
»Er hat mich ein paarmal getroffen, aber unter den meisten seiner Schläge habe ich mich weggeschlängelt und weggeduckt«, sagte Clay in einem Interview mit dem
Playboy
. »Ich weiß noch, als er mich einmal mit dem Arm am Nacken streifte, dachte ich – es war, als würde ich es mir selbst zubrüllen: ›Das muß ich jetzt bloß durchziehen.‹ Und ich tauchte unter ihm hervor und erwischte ihn mit ein paar Linken und Rechten. Dann sah ich die erste Platzwunde, oben auf dem Wangenknochen. Die erste Wunde sieht immer hellrosa aus. Dann sah ich das Blut, und da wußte ich, daß dieses Auge ab jetzt mein Ziel sein mußte. Und weil ich mich so sehr auf diese Wunde konzentrierte, mußte ich den härtesten Treffer von ihm einstecken, diese lange Linke. Die hat mich zurückgestoßen. Aber entweder merkte er nicht, wie gut er mich getroffen hatte, oder er wurde schon langsam müde, jedenfalls nutzte er es nicht aus. Danach habe ich den Gong dann
sehr wohl
gehört. Ich mußte in meine Ecke, um wieder klar im Kopf zu werden.«
»In der zweiten«, sagte Dundee, »versuchte Liston, bei den Schlägen zuzulegen, aber mein Mann ließ das nicht soeinfach mit sich machen. Ich sage Ihnen, Liston hätte Tyson in Bestform geschlagen. Er war ein großer, kräftiger Mann, er hatte Schultern, die bis über den Ring hinausgingen, er war schneller als Tyson. Doch er stand einem verzwickten Burschen gegenüber. Muhammad war noch stärker als er, er stieß ihn im Clinch herum, dann rannte er wieder auf und ab und schenkte ihm ein.«
»Meine Zweifel verflogen in der ersten und zweiten Runde, als ich sah, wie Ali mit Liston umging«, sagte Pacheco. »
Bap-bap
, und weg war er. Liston fand keine Lösung dafür. Nach der ersten sah man ganz deutlich, daß er in seine Ecke ging und dachte: ›Verflucht, was mach ich denn jetzt?‹ Sonny schlug immer nur Rechts-links-Jabs, genau wie Joe Louis. Doch Sonny hatte nichts, wonach er schlagen konnte, er schlug Löcher in die Luft.«
In Listons Ecke arbeitete Joe Pollino an der
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