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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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schwer würden, er würde die bittere Galle im Mund schmecken, vor allem aber würde er sein Alter spüren – was auch immer.
    Der Gong ertönte zur ersten Runde.
    Clay ging los, um Punkte zu machen, vor allem einen. Er wollte Liston zeigen, daß er nicht getroffen werden konnte, jedenfalls nicht leicht. Er wollte Liston gleich zeigen, wie lang die Nacht werden würde. Er wollte, daß er gleich von Anfang an einen Hauch der kommenden Müdigkeit spürte.
    Clay begann, im Uhrzeigersinn in einer Art betäubendem Trab im Ring herumzutänzeln, wobei er immer wieder stehenblieb und dann mit dem Oberkörper hin und her pendelte, eine schnelle Scheibenwischerbewegung, die den Versuch des Gegners, einen Angriff aufzubauen, erschwerte. Liston stapfte hinter ihm her und mußte binnen Sekunden erkannt haben, um wieviel schneller das alles von nahemwar, wie schwierig es werden würde, ihn zu treffen. Liston versuchte es mit der rechten Geraden – vielleicht konnte er die Sache ja gleich beenden! –, doch Clay war schon weg, bevor der Arm gerade war. Dann verfehlte Liston ihn mit einem Jab, dann noch einem. Er verfehlte ihn um einen Viertel-, einen halben Meter.
    »Ich bin einfach immer nur gelaufen und habe dabei seine Augen beobachtet«, sagte Clay später. »Listons Augen geben einem einen Wink, kurz bevor er zu einem schweren Schlag ausholt. Irgendwie flackern sie so.«
    Schließlich landete Liston doch einen ordentlichen Körpertreffer, eine Linke in das Fleisch unterm Brustkorb. Der Handschuh schien zu verschwinden, ein schmerzhafter Treffer, doch Liston konnte nicht nachsetzen. Clay wirbelte aus Listons Reichweite und ließ ihn so unbeholfen aussehen wie noch kein anderer zuvor. »Sonny mußte erkennen, wie unglaublich Clays Reflexe waren«, sagte Jack McKinney. »Er wich Sonny aus, indem er zurückging, manchmal blieb er auch mit den Füßen stehen, aber dann beugte er sich zurück, so daß der Jab einen Millimeter zu kurz kam. Sonny hatte die verheerendste Gerade der Geschichte, eine aufsteigende Gerade, die wie eine Schrotflinte war – mit dieser Geraden hob er manche vom Boden ab –, und ihr wich Clay aus. Liston war ein hervorragender Athlet mit hervorragenden Reflexen, schnell zu Fuß, doch wenn man sich diese erste Runde ansieht, kann man nur lachen und staunen. Clay weicht zurück, und Liston schlurft hinterher, schickt die Gerade ab – und jede Gerade erreicht Clay um ein Haar nicht.« Liston hatte schon vorher gegen schnelle Boxer gekämpft – Marty Marshall, Eddie Machen, Zora Folley –, aber wer hatte so etwas schon einmal gesehen?
    Als dann noch ungefähr eine Minute in der ersten Runde zu boxen war, begann Clay, der Keilerei auch seine Schlägedazuzugeben. Er fing an, seinen Jab gegen Listons Brauen zu schnippen – erst einen Jab auf einmal, dann einen ganzen Wirbel davon, zwei, drei, vier in Folge, dann Jabs, denen ein rechter Cross oder ein linker Haken folgte. Es war, als zeige Clay eine Waffe nach der anderen, um Liston so noch mehr zu demoralisieren, um ihm vorzuführen, daß sein Arsenal und Listenreichtum unbegrenzt waren.
    Ungefähr vierzig Sekunden vor Ende der Runde befand Liston sich nur noch in der Deckung, ganz benommen davon, daß Clay viel schneller war als er, aber auch von den Treffern selbst. Ganz am Ende der Runde traf Clay Liston mit acht Jabs hintereinander, und als Liston sich schließlich aus seiner Kauerstellung aufrichtete, um sich umzusehen, wonach er schlagen konnte, war Clay schon wieder weg.
    Der Gong ertönte und beendete die erste Runde, doch die beiden Männer schlugen weiter, bis Felix schließlich dazwischenging.
    »Ich weiß noch, wie ich in meine Ecke kam und dachte: ›Der sollte mich ja eigentlich umbringen. Also, noch lebe ich‹«, sagte Clay ein paar Tage nach dem Kampf zu Alex Haley. »Angelo Dundee arbeitete über mir, redete ohne Punkt und Komma. Ich sah einfach zu Liston hin, der war so sauer, der hat sich nicht mal hingesetzt. Da dachte ich: ›Du wirst dir noch wünschen, du hättest dich ganz gehörig ausgeruht, wenn wir die nächste Runde hinter uns haben.‹ Ich konnte einen Radio- oder Fernsehexperten hören, ganz aufgeregt war der, Sie wissen ja, wie die schnattern. Die Sensation war, daß ich noch nicht ausgezählt war.«
    Am Ring saß Joe Louis, der geistig und finanziell in Listons Ecke war, und konnte kaum fassen, was er gesehen hatte. Er hakte eine langsame erste Runde bei einem Champion eher ab und ging davon aus, daß er mit der Zeit stärker

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