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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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Murray Kempton später in
The New Republic
.
    »Plötzlich haßte fast jeder im Raum Cassius Clay«, fuhr Kempton fort. »Sonny Liston sah ihn einfach nur an. Liston war einmal ein Ganove gewesen; jetzt war er unser Cop; er war der große Neger, den wir dafür bezahlen, freche Neger im Zaum zu halten, und er wartete nur darauf, daß sein Boß ihm sagte, er solle diesen Jungen hinauswerfen … Italienische Journalisten sahen zu ihrer Erleichterung auf Listons Gesicht jenen Blick, mit dem die Mafiosi die sizilianischen Bauern in Schach hielten; die Promoter und Kampfmanager sahen in Clay eines ihrer Tiere, das völlig außer Kontrolle geraten war, wußten aber zum Glück, daß er bald nicht nur wieder an der Kandare, sondern auch aus dem Geschäft draußen sein würde … Sogar Norman Mailer schloß sich der Sache der organisierten Gesellschaft an. Angenommen, Clay gewinnt den Schwergewichtstitel, fragte er. Das würde ja bedeuten, daß jedes dahergelaufene Großmaul sich aufblasen könnte und man ihm glauben würde.«
    Clays Inszenierung ähnelte dem schweißtreibenden Deliriumeines Irren, dem angstvollen Schwadronieren eines Jungen, der seit seiner Begegnung mit Liston über ein Jahr davor in jenem Kasino in Las Vegas die Hosen voll hatte, doch niemand sah, wie bewußt und wirkungsvoll diese Inszenierung war, wie sehr sie Liston entnervte. »Sie gab Liston bis ans Ende seines Lebens die Gewißheit, daß Ali verrückt war«, sagte Clays Arzt Ferdie Pacheco. »Ali machte es seinen Gegnern unmöglich, ihn einzuschätzen. Jahre später, als Ernie Shavers ihn im Garden beinahe k. o. schlug, fiel Ali rückwärts gegen die Seile, doch Shavers hielt sich zurück, weil er glaubte, Ali mache Spaß. Dasselbe widerfuhr Joe Frazier im dritten Kampf in Manila. Er sah, wie Ali taumelte, nach hinten strauchelte, und anstatt sich auf ihn zu stürzen, stand Frazier einfach da und schaute, weil er nicht glauben konnte, daß Ali angeschlagen war. Auch George Foreman wußte nicht, wann Ali verletzt war oder wann er nur so tat. Die Leute hielten ihn immer nur für verrückt. Sein Ruf war so gewaltig, daß man ihm Dinge unterstellte, die er eigentlich gar nicht tat. Und das alles begann in Miami, beim Wiegen mit Liston.«
    Der Kommissionsarzt, Alexander Robbins, nahm beiden Kämpfern Puls und Blutdruck. Listons Werte waren leicht über normal. Angesichts der ganzen Aufregung gab das keinen Anlaß zur Sorge. Robbins kam kaum an Clay heran, der herumsprang und schrie, als wäre jemand mit einer Mistgabel hinter ihm her. Mehrmals näherte sich Robbins ihm mit ausgestrecktem Stethoskop, doch Clay zappelte ständig, so daß Robbins verängstigt und verwirrt zurückschreckte. Endlich konnte der Arzt seine Messungen durchführen; Clays Puls, der normalerweise bei fünfundfünfzig Schlägen pro Minute lag, war auf hundertzwanzig geschossen, und auch sein Blutdruck lag bei zweihundert zu über hundert.
    Jimmy Cannon, der eine solche Autorität ausstrahlte, daßman ihn ebensogut für den Chefarzt wie für den Kolumnisten des
World-Telegram
halten konnte, setzte sich neben Dr. Robbins auf einen Stuhl und sagte: »Könnte es sein, daß dieser Junge eine Todesangst hat, Doc?«
    »Ja, ja, Mr. Cannon«, sagte der Arzt. »Der Boxer hat eine Todesangst, und wenn sein Blutdruck auch beim Kampf so hoch ist, wird die Sache abgeblasen.«
    Schließlich zogen beide Kämpfer ab und gingen in ihre improvisierten Kabinen. Clay beruhigte sich schon wieder.
    »Was meinst du?« fragte er, als er sich auf einen Trainingstisch setzte. »Der war ziemlich durcheinander. Er war klein und er war kurz, und alle wollen sie mir weismachen, er ist so groß. Ich glaube, er war durcheinander.«
    Als Clay die Arena verließ, lief er einer allgegenwärtigen Figur in Miami über den Weg, King Levinsky. Levinsky war einer von Joe Louis’ »Blödmännern des Monats« gewesen, ein Schwergewichtler, der einen Abend lang im Rampenlicht gestanden, dessen Boxkarriere ihn jedoch ärmer am Geiste und an der Geldbörse gemacht hatte. Levinsky verkaufte jetzt scheußliche Krawatten aus einem noch scheußlicheren Pappkoffer. »King packte einen immer am Hals und sagte: ›Willste ’n Schlips von King Levinsky?‹« erinnerte sich George Plimpton. »Er war überall, und wenn man ihm ein paar Krawatten abgekauft hatte, suchte man das Weite.«
    Als Clay nun die Arena verließ, kam Levinsky hinter ihm hergerannt, aber nicht, um Krawatten zu verkaufen, sondern um ihm einen Job anzubieten.
    »Der

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