King of the World
komplexesten Reaktionen kamen von schwarzen Kommentatoren und politischen Akteuren. Von Schwarzen geleitete Zeitungen waren sehr aktiv in der Bürgerrechtsbewegung und unterstützten sie, und die meisten mißtrauten der Nation of Islam. Es war Februar 1964, und das Land hatte in den zehn Jahren davor schon einige für die Bürgerrechte entscheidende Vorfälle erlebt: den Mord an Emmett Till 1955, der Busboykott von Montgomery 1955/56, dieSchulkrise in Little Rock 1957/58, die Sit-ins der Studenten in Nashville 1960, die Freedom Rides 1961, James Merediths Integration von Ole Miss 1962, die Krawalle in Birmingham und die Bombe in der Sixteenth Street Church 1963, den Marsch auf Washington. Insbesondere viele Schwarze der Mittelschicht bewunderten insgeheim manche Aspekte der Nation – wie sie entlassene Sträflinge rehabilitierte, wie sie für eine bestimmte aufrechte Moral zu Hause und für Sicherheit auf der Straße stand –, befürchteten aber auch, daß eine solch vehemente Rhetorik der Konfrontation und ein religiöser Stil, der dem Durchschnittsamerika so fremd war, die Bewegung gefährden könnten.
In dem Blatt aus Clays Heimatstadt, dem von Schwarzen geleiteten
Louisville Defender
, schrieb Frank Stanley recht feinsinnig: »Wir haben nichts dagegen, daß Clay sich einer religiösen Gruppe anschließt, auch wenn wir Vorbehalte gegenüber den Motiven dieser Sekte haben. Wir sind bestürzt darüber, daß dieser junge Mann aus Louisville sich von der Anti-Segregationsbewegung lossagt.« Martin Luther King selbst, der nun in der Bewegung auf dem Gipfel seiner Macht war, gab sich nicht solchen Feinheiten hin. »Als Cassius Clay den Black Muslims beitrat und sich Cassius X nannte, wurde er ein Champion der Rassentrennung, und dagegen kämpfen wir«, sagte er. »Cassius sollte vielleicht mehr Zeit damit verbringen, sein boxerisches Können unter Beweis zu stellen, und weniger reden.« Schließlich rief King bei Clay an, um ihm zu seinen Boxtriumphen zu gratulieren – ein Telefonat, das vom FBI abgehört wurde. Den Aufzeichnungen des FBI zufolge versicherte Clay, daß er »mit MLK Kontakt halte, daß MLK sein Bruder ist und (Clay) zu hundert (Prozent) mit ihm übereinstimmt, aber kein Risiko eingehen kann«. Clay sagte zu King, er solle »auf sich aufpassen« und »ein Auge auf die Weißen« haben.
Einen Monat nach dem Kampf schrieb Jackie Robinson einen Artikel für den
Chicago Defender
, eine der prominentesten aller schwarzen Zeitungen, in dem er die Größe des Sieges des neuen Champions unterstrich und zur Gelassenheit gegenüber seinem Übertritt zur Nation of Islam aufforderte. Schrien Robinsons mutmaßliche Bewunderer unter den weißen Kolumnisten ihre Wut und Verwirrung über diesen anmaßenden neuen Champion hinaus, so sah Robinson durchaus etwas Gutes in der Entscheidung dieses jungen Mannes, auch wenn er sie nicht teilte.
»Ich glaube nicht, daß die Neger sich massenhaft dem Black Muslimism zuwenden, genausowenig, wie sie sich dem Kommunismus zuwandten«, schrieb Robinson. »Die Neger, Junge wie Alte, gingen in Amerika zu Zehntausenden auf die Straße und stellten ihre Bereitschaft unter Beweis, für die Freiheit zu leiden, zu kämpfen und sogar zu sterben. Diese Menschen wollen mehr Demokratie – nicht weniger. Sie wollen in die amerikanische Normalität integriert sein und nicht eingeladen werden, in einem kleinen Winkel dieses Landes in wunderbarer Isolation zu leben. Sollten sich die Neger je in größerer Zahl der Black Muslim-Bewegung zuwenden, dann nicht wegen Cassius oder sogar Malcolm X. Sondern weil das weiße Amerika sich geweigert hat, die verantwortliche Führung der Neger anzuerkennen und uns dieselben Rechte zu gewähren, die jeder andere Bürger dieses Landes genießt.«
Ende der sechziger Jahre, als Ali sich der Einberufung widersetzte und ins Exil ging, feierten ihn viele Stimmen, radikale wie nichtradikale, als mutige, unbotmäßige Gestalt. Eldridge Cleaver beschrieb ihn als »echten Revolutionär« und den »ersten ›freien‹ schwarzen Champion, der sich je dem weißen Amerika entgegengestellt hat«. Sportler wie Lew Alcindor wurden radikalisiert, bis sie konvertierten. SogarRed Smith zog mit. 1964 jedoch gab es nur sehr wenige, Weiße wie Schwarze, die Clays Wandlung offen guthießen. »Ich erinnere mich, wie wir zu Hause Anfang der sechziger Jahre über Ali dachten«, sagte die Autorin Jill Nelson, die in Harlem und an der Upper West Side aufwuchs. »Wir wollten nicht
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