King of the World
Kämpfer raushältst, das ist seine Religion. Und sein Liebesleben. Da hältst du dich auch raus. Wie er die Linke ansetzt – an solche Sachen hältst du dich.«
Doch außerhalb seines kleinen Betreuertrosses war Clays Übertritt ein Schock, nicht zuletzt für seine Familie. Sein Vater, der ja nie ein besonders frommer Christ war, hielt mit seinem Zorn persönlich und mittels der Presse nicht hinterm Berg. Clay senior erzählte den Reportern, sein Sohn sei von den habgierigen Muslims »betrogen« worden. »Ich ändere keinen Namen«, sagte er. »Wenn er das tun will, schön und gut. Aber ich nicht. Ich werde den Namen Cassius Clay sogar gut nutzen. Ich werde meinen Namen zu Geld machen. Ich werde Kapital daraus schlagen.« Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn verschlechterte sich derart, daß Clay bei seinem nächsten Besuch in Louisville in einem Hotel im Zentrum wohnte. »Er kam uns besuchen«, sagte seine Mutter, Odessa, »aber er blieb nur fünfundzwanzig Minuten und ließ das Taxi vor der Einfahrt warten. Man hat ihm gesagt, er soll sich wegen dieser religiösen Geschichte von seinem Vater fernhalten, und ich glaube, sie haben ihm gesagt, er soll sich auch von mir fernhalten. Die Muslims mögen mich nicht, weil ich zu hellhäutig bin.«
Die führenden Kolumnisten reagierten mit beinahe ebenso großer Empörung wie Cassius Clay senior.
»Die Boxbranche war seit ihren verkommenen Anfängen der Rotlichtbezirk des Sports. Doch nun hat man sie erstmals in ein Instrument des Hasses verwandelt«, schrieb Jimmy Cannon. »Sie hat vielen Männern den Körper verstümmelt und den Geist ruiniert, jetzt aber benutzt Clay sie als einer von Elijah Muhammads Missionaren als eine Waffe des Bösen beim Angriff auf die Seele. Ich bedaure Clay und verabscheue das, wofür er steht. In den Hungerjahren während der Depression benutzten die Kommunisten berühmte Leute in ähnlicher Weise, wie die Black Muslims Clay ausbeuten. Es ist eine Sekte, die den schönen Sinn der Religion verdirbt.« Cannons rassischer Orientierungspunkt war und blieb Joe Louis. Clays Verbindung mit der Nation of Islam, so Cannon, war ein »schädlicheres Symbol des Hasses als Schmeling und der Nazismus«.
Lipsytes Berichterstattung in der
Times
klang schon etwas anders, teils, weil die Kolumnen der Zeitung nicht viel Meinung zuließen, aber auch, weil er einer anderen Generation angehörte und ganz andere Erfahrungen gemacht hatte, nicht zuletzt durch seine enge Freundschaft mit Dick Gregory. »Es ist richtig, ich habe mich wegen des Übertritts nicht so ereifert wie Cannon oder Smith«, sagte er, »aber man darf auch nicht vergessen, wie sehr Malcolm X manchen Leuten angst machte, und nicht nur Weißen. Die
New York Times
etwa wußte nie so recht, wie viele Leute er für eine Revolution auf die Straße bringen konnte.«
Malcolm war Lipsyte für die Tiefgründigkeit und Zurückhaltung seiner Berichterstattung dankbar und sagte es ihm auch. Im Nachrichtenzimmer in der West Forty-third Street erzählte Lipsyte einem seiner Redakteure von dem Kompliment.
»Na, ist ja toll«, sagte der Redakteur. »Vielleicht sollten wir ja große Werbeplakate an unsere Laster hängen mit der Aufschrift: ›Malcolm X mag Bob Lipsyte‹.«
Die World Boxing Association sperrte den neuen Champion wegen »Verhaltens, das den Interessen des Boxsports zuwiderläuft«. Die Sperre war jedoch nicht von großer Wirkung, denn die wesentlichen Kommissionen der Staaten New York, Kalifornien und Pennsylvania machten deutlich, daß sie sie ignorieren würden. Einige aus der Louisville Sponsoring Group waren zunächst tief schockiert. Sie erkannten zu Recht, daß Clays Übertritt ihn wie auch sie Hunderttausende von Dollars kosten würde. Weiterhin erkannten sie ziemlich schnell, daß Clay seinen Vertrag mit ihnen 1966, wenn er auslief, wahrscheinlich nicht verlängern würde. »Wir schätzten, daß die Muslims die Angelegenheit selbst in die Hand nehmen würden«, sagte Gordon Davidson. »Und das war ziemlich gut geschätzt.«
Praktisch der einzige weiße Politiker, der sich zugunsten des neuen Schwergewichtsmeisters äußerte, war Richard Russell, Senator aus Georgia und ein Befürworter der Segregation. Russell fand es großartig, daß das Ziel der Nation of Islam, die Rassen zu trennen, mit seinem eigenen zusammenfiel. (Tatsächlich hatte Elijah Muhammad 1961 Kontakt mit dem Ku-Klux-Klan aufgenommen, da beide Gruppen die Trennung von Schwarz und Weiß anstrebten.)
Die
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