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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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eine einmonatige Reise durch Ägypten, Nigeria und Ghana in Begleitung seines engen Freundes Howard Bingham und zweier Freunde von der Nation of Islam, Osman Karreim (früher Archie Robinson) und Herbert Muhammad (der dritte von Elijahs sechs Söhnen und Alis zukünftiger Manager). In späteren Jahren sollten sich die Emotionen dieser Afrikareise – die Zuneigungsbekundungen, die »Ali! Ali!«-Rufe selbst in den entlegensten Dörfern – viele Male und in vielen Ländern wiederholen. Diese Reise jedoch war die erste ihrer Art, und Ali war begeistert. Er war begeistert, unter Afrikanern zu sein, »meinem wahren Volk«, wie er sagte; er war begeistert,großen Gestalten wie Kwame Nkrumah zu begegnen, und es begeisterte ihn, an Orten erkannt zu werden, wo man weder Joe Louis, geschweige denn Rocky Marciano erkannt und sich für sie interessiert hätte. Kurz, es war ein Vorgeschmack darauf, wie es sein würde, Muhammad Ali zu sein, ein internationales Symbol, ein Boxer, der größer war als der Schwergewichtstitel, der berühmteste Mensch der Welt. Das war der Anfang, der Anfang von Alis Transfiguration.
    Gleichzeitig erfuhren die Reporter, die von Ali fast ebenso begeistert waren wie dieser von sich selbst, daß er ein widersprüchlicher Mensch war, eine freundliche und sanfte Seele, die gleichwohl gelegentlich auch eisiger Grausamkeit fähig war. Malcolm X, der inzwischen den sunnitischen Namen El-Hajj Malik El-Shabazz angenommen hatte, bereiste im Anschluß an einen Besuch in Mekka ebenfalls Afrika. Er trug einen Ziegenbart und das weiße Gazegewand des Pilgers sowie einen Gehstock. Auf seiner Reise war Malcolm vielen hellhäutigen Moslems begegnet und zu der Erkenntnis gelangt, daß das ganze Gerede von den »blauäugigen Teufeln« zu »Verallgemeinerungen (führte, die) manchen Weißen Verletzungen zufügte, die sie nicht verdient haben«. Malcolms Reise änderte sein Leben, und zwar so sehr, daß er auf die Frage eines Reporters, ob es stimme, daß er die Weißen nicht mehr hasse, sagte: »Allerdings! Meine Reise nach Mekka hat mir die Augen geöffnet.« In dem Maße, wie Martin Luther King seine Kritik an der amerikanischen Gesellschaft auf den Vietnamkrieg und die wirtschaftliche Ungerechtigkeit ausdehnte, wurde Malcolm gemäßigter, universalistischer in seiner moralischen Weltsicht. Die beiden Vektoren in der Führung der Schwarzen näherten sich einander an, und die Ursache dafür lag in Malcolms Reise in den mittleren Osten und nach Afrika. Im Hotel Ambassadorin Accra, Malcolm wollte gerade zum Flughafen fahren, kreuzten sich seine Wege mit Ali.
    »Bruder Muhammad!« rief Malcolm. »Bruder Muhammad!«
    Ali blickte zu Malcolm hin, begrüßte ihn aber nicht als Freund.
    »Du hast den Ehrenwerten Elijah Muhammad verlassen«, sagte Ali steif. »Das war falsch, Bruder Malcolm.«
    Malcolm wollte die Sache nicht verschlimmern, indem er zu ihm ging, und Ali wandte den Blick ab und ging weiter.
    Es war ein schrecklicher Augenblick für Malcolm. Trotz des Anscheins von Stärke und Standhaftigkeit hatte Malcolm sein ganzes Leben mit Verlusten gelebt.
    »Ich habe viel verloren«, sagte er nach dieser Zufallsbegegnung. »Fast zuviel.« Als Kind hatte er mitbekommen, wie sein Vater, ein garveyitischer Prediger namens Earl Little, von weißen Rassisten in Todesangst versetzt wurde; er erinnerte sich an den mysteriösen Tod seines Vaters auf den Straßenbahnschienen und wie seine Mutter daraufhin wahnsinnig wurde; er erinnerte sich daran, wie ein Lehrer ihm auf seine Erklärung, Anwalt werden zu wollen, sagte: »Sieh das realistisch, du bist ein Nigger«; und nun, aus der Nation of Islam verstoßen, von der Fruit of Islam mit dem Tode bedroht, war er von Muhammad Ali, seinem großen Schützling und Freund, aufs schroffste abgewiesen worden.
    Kurz vor der Abreise aus Afrika schickte Malcolm Ali ein Telegramm, das noch in dem Ton ihrer ehemaligen Beziehung gehalten war. »Weil eine Milliarde unseres Volks in Afrika, Arabien und Asien dich blind verehren«, schrieb Malcolm an Ali, »mußt du dir unablässig deiner Verantwortung ihnen gegenüber bewußt sein.« In dem Telegramm, das bald darauf in der
New York Times
erschien, warnte Malcolm Ali davor zuzulassen, daß seine Feinde seinen Ruf ausschlachteten;Malcolm drückte sich vage aus, doch es war klar, daß er die Ausbeuter in den Reihen der Nation of Islam sah.
    Ali war nicht in der Stimmung, Ratschläge anzunehmen. Er scherzte mit Reportern, er sei nach Afrika gekommen, um

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