King of the World
sagt Patterson: ›Nimm seine Waffe.‹ Wir rangelten und fielen alle drei um. Liston zog meine Waffe heraus. Dann sagt Patterson: ›Erschieß das weiße Schwein.‹ Liston läßt mich los und zielt mit der Waffe auf meinen Kopf. Ich drücke den Lauf mit beiden Händen weg, damit ich nicht in die Mündung sehe. Sie trampelten auf mir herum. Ich schrie: ›Nicht schießen!‹ Plötzlich nahm Liston die Waffe weg und schlug mich überm linken Auge, entweder mit der Waffe oder der Faust. Das mußte mit sieben Stichen genäht werden.« Mellows Arm und Knie waren gebrochen, »entweder vom Sturz oder weil einer draufgetreten ist«.
In Listons Version protestiert er dagegen, wie Mellow den Taxifahrer behandelt, worauf Mellow sich zu ihm wendet und sagt: »Du bist ein cleverer Nigger.« – »Und wie ich sage: ›Ich bin nicht clever‹, langt er nach seiner Waffe und versucht, sie aus dem Halfter zu ziehen, aber ich nehm sie ihm ab«, sagte Liston. »Später sagte der Cop, ich war betrunken. Aber wie soll denn ein Betrunkener einen nüchternen Cop erledigen, der trainiert ist, Leute zu verhaften und seine Waffe zu ziehen?«
Anfang 1958 hatte Liston seine Zeit in dem Arbeitshaus abgesessen und boxte wieder. Er siegte so oft, daß er die Aufmerksamkeit von Mobstern erregte, die mächtiger waren als Leute wie Vitale oder sogar Bernie Glickman. Liston willigte in ein neues Besitzverhältnis ein, das von New Yorker Mobstern organisiert wurde (als hätte er eine Wahl gehabt), und zog nach Philadelphia, um näher am eigentlichen Zentrum des Boxens zu sein, das in den fünfziger Jahren New York mit seinen umliegenden Städten war.
Der neue Vertrag sah zweiundfünfzig Prozent für Frankie Carbo vor, den mächtigsten Mann im Boxgewerbe, jeweils zwölf Prozent sollten Vitale und Carbos Lehensmann, Frank »Blinky« Palermo, erhalten, sowie vierundzwanzig Prozent Joseph »Pep« Barone, ein weiterer »Partner« Carbos, der nach außen hin als Listons Manager fungieren sollte. Dem FBI -Ermittler William Roemer zufolge waren die Mobster des Mittleren Westens empört darüber, daß sie einen Kämpfer mit einem so gewaltigen Potential verloren hatten. Zwei Jahre nach der Übernahme flog Sam Giancana,
Vanity Fair
zufolge, von Chicago nach Atlantic City zu einem Treffen der Kommission, dem obersten Gremium des organisierten Verbrechens. Giancana appellierte unter anderem an Thomas »Three-Finger Brown« Lucchese und Carlo Gambinoaus New York, wurde jedoch abgewiesen. Carbo selbst gehörte der Mafiafamilie der Lucchese an. Ein potentieller Schwergewichtsweltmeister war ein zu wertvolles Gut, um es St. Louis zu überlassen.
Liston war im Grunde der letzte einer langen Reihe, der letzte große Champion, der auf direktem Wege in die Hände der Mafia gelangte. Es sollte Cassius Clay, der damals noch dabei war, sich als Kämpfer zu etablieren, vorbehalten sein, die Umklammerung durch das organisierte Verbrechen zu lösen. Er fand seine schützende Hand in der Nation of Islam.
Lange vor dem Aufstieg Frankie Carbos gab es eine ganze Generation von Gangstern aus der Zeit der Prohibition, die Boxer managte, Kämpfe promotete, Kämpfe manipulierte und auf Kämpfe wettete; es waren Männer wie Owney Madden, Frenchy DeMange, Bill Duffy, Frankie Yale, Al Capone, Lucky Luciano, Boo Boo Hoff, Kid Dropper, Frankie Marlow, Legs Diamond und Dutch Schultz. Die Unterwelt mochte das Boxen, weil auch die Boxer Außenseiter sind. Unter Boxern heißt es, daß nur ein Idiot oder ein Verzweifelter sich gegen den Kopf schlagen läßt, um sein Geld zu verdienen. Und da die Boxer aus den Randgruppen kommen, sind sie auch für die Männer vom Rand des Geschäfts zugänglich. Unwahrscheinlich, daß sie sich laut beschweren, da ihr Leben ihnen so wenige Chancen bietet. Boxer bekommen kein Stipendium; auf sie wartet keine Ehemaligen-Gesellschaft an der Tür, die sie mit offenen Armen aufnimmt.
Paul John Carbo wurde 1904 in der Lower East Side in New York geboren und wuchs hauptsächlich in der Bronx auf. Während dieser Zeit beging er schon zahlreiche Bagatelldelikte. Mit achtzehn wurde er wegen Körperverletzung und schweren Raubes verhaftet. Mit zwanzig wurde er angeklagt, in einem Billardsalon in der East 160th Street einenMetzger erschossen zu haben. Carbo und der Metzger, ein Mann namens Albert Weber, stritten sich darum, wem ein gestohlenes Taxi gehörte. Zu der Zeit war Carbo auf der Straße unter verschiedenen Namen bekannt: Frankie Carbo, Frank Fortunato,
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